Bundeshaus-Blog
Die dritte Woche, letzter Tag
Heute geht die Sitzung nur knapp eine Stunde, es stehen nur noch die Schlussabstimmungen an. Die neuen Mehrheiten im Nationalrat zeigen sich auch heute wieder: Der Zulassungsstopp für Spezialärzte wird mit einer Stimme Unterschied abgeschafft, die FDP ist leider gekippt. Das wird wohl den Vertragszwang aufweichen, was für die PatientInnen keine rosigen Aussichten sein dürften.
Dann geht es nun definitiv nach Hause! Alle haben ihre grossen Koffer dabei, die Stimmung ist aufgeräumt. Es ist kaum zu glauben, dass die drei Wochen schon vorüber sind. Ich glaube, noch nie in meinem Leben sind innerhalb von so kurzer Zeit so viele neue Eindrücke auf mich niedergeprasselt. Die gilt es jetzt erst mal zu verarbeiten. Bilanz nach der ersten Session: Total müde (es ist viel anstrengender als ich dachte!), aber auch sehr zufrieden und gespannt, was mich noch alles erwarten wird. Freue mich schon auf die Frühjahrs-Session!
Die dritte Woche, vierter Tag
Die Session neigt sich am Ende zu. Das merkt man daran, dass noch zahlreiche Vorstösse eingereicht werden. Auch ich versuche mich mit meinem ersten: Es ist nur eine Anfrage, das ist ein sanfter Einstieg. Ich möchte gerne vom Bundesrat wissen, wie er sich dazu stellt, dass sich der Armeechef Blattmann in diversen Zeitungsinterviews negativ über den zivilen Ersatzdienst äusserte, in dem er diesem unterstellt, dass durch ihn die Bestände der Armee gefährdet seien. Die Zivildienstlösung finde ich nämlich eine wichtige und für eine freie Gesellschaft würdige Errungenschaft. Es stellen sich dann noch einige technische Probleme mit der elektronischen Übermittlung des Vorstosses, die IT-Systeme des Bundeshauses haben Apple-Produkte nämlich nicht so gern... Aber davon lasse ich mich natürlich nicht entmutigen ;-)!
Die dritte Woche, dritter Tag
Heute habe ich meine „Premiere“: Ich kann zum ersten Mal reden. Etwa fünf Stunden debattiert der Nationalrat über die „AHVplus-Initiative“. Sie war schon im Vorfeld chancenlos und hat sicher gewisse „Mängel“, aber grundsätzlich geht das Anliegen in die richtige Richtung. Die 1. Säule muss unbedingt wieder gestärkt werden, denn immer noch gibt es zahlreiche RentnerInnen, die nach wie vor nur von den AHV-Beiträgen leben. Und diese müssten laut Bundesverfassung sogar existenzsichernd sein...
Es reden etwa 50 RednerInnen zu der Initiative. Es ist völlig klar, dass sich niemand auf das Votum der 44. Rednerin achten wird, zumal alle Argumente dann schon zigmal erläutert wurden. Trotzdem habe ich Herzklopfen. Was ist, wenn ich mich nun verheddere oder einen Black-Out habe oder mich sonst irgendwie lächerlich mache? Meine Sorgen sind unbegründet, das Votum geht glatt durch. Erschrocken bin ich allerdings am Anfang meiner Rede: Das Pult stellt sich automatisch auf die optimale Höhe der Rednerin ein. Das hat mir niemand gesagt... Aber ich muss sagen: Es ist ein verdammt gutes Gefühl da vorne ;-)!
Die dritte Woche, zweiter Tag
So langsam aber sicher stellt sich eine gewisse Routine ein. Ich kenne mich in der Stadt besser aus (wobei anzufügen ist, dass ich Bern wirklich wunderschön und bezaubernd finde), weiss genau wo die IT im Bundeshaus ist (der begehrteste Ort!), habe gelernt, dass man irgendwann etwas essen sollte, wenn man nach der Morgensitzung gleich anschliessend die nächste Sitzung über Mittag hat und kann auch schon besser abschätzen, wann der Rat abstimmungsreif ist. Trotzdem gibt es jeden Tag wieder so viel neue Informationen und so viel Neues zu entdecken, man wird richtiggehend überflutet damit. Also langweilig wurde es bis jetzt noch nie ;-).
Das Parlament berät heute das Rüstungsprogramm. Als zukünftiges Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission versuche ich, der Debatte einigermassen zu folgen (was wegen der vielen Ablenkungen und des oft hohen Lärmpegels im Saal gar nicht so einfach ist). Das Rüstungsprogramm wird so verabschiedet, wie das der Bundesrat auch beantragt hat, punktuelle Kürzungsanträge der SP haben keine Chance.
Die dritte Woche, erster Tag
Bereits beginnt die letzte Sessionswoche. Unglaublich, wie die Zeit rennt. Vor Sitzungsbeginn findet ein Runder Tisch zum Thema „Durchsetzungsinitiative“ statt. Die Abstimmung darüber ist bereits am 28. Februar, die diversen Komitees bilden sich aber erst jetzt. Ich hoffe, das ist nicht zu spät... Falls die Durchsetzungsinitiative angenommen würde, hätte die Schweiz nochmals weitere Probleme mehr mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Zudem verschärft die Durchsetzungsinitiative nochmals die rechtsstaatlich höchst bedenklichen Mechanismen der Ausschaffungsinitiative und sieht keine Härtefallklausel mehr vor. Das darf nicht soweit kommen!
Bei der Nationalratssitzung am Nachmittag gibt es immerhin ein kleiner Erfolg für uns: Die Motion von Martina Munz, welche Ausbildungsmöglichkeiten für Flüchtlinge verlangt (damit sie nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden können), wird angenommen!
Die zweite Woche, vierter Tag
Natürlich sind die gestrigen Bundesratswahlen immer noch Thema Nummer eins. Es wird nun vor allem spekuliert, ob die bisherigen Regierungsmitglieder ihr Departement wechseln oder ob Parmelin die Finanzen übernehmen wird. Die Bundesräte halten dicht, es bleibt also spannend!
Am Morgen wird während der ordentlichen Sitzung eine ausserordentliche Session zur Flüchtlingswelle und Grenzwache eingeschoben. Dabei zeigt sich die SVP von ihrer gewohnt aggressiven Seite. Die Angriffe auf Simonetta Sommaruga empfinde ich als ziemlich heftig, so haben wir im Kantonsrat die Regierungsmitglieder nie angefahren. Ich finde sogar, dass die Regeln des Anstands und Respekts klar überschritten werden. Die Ratspräsidentin greift nicht ein, das scheint hier offenbar normal zu sein... Simonetta wehrt aber alle Angriffe ruhig und souverän ab. Sie hat immer eine kompetente Antwort parat, egal ob auf deutsch oder französisch.
Zum Glück scheitert die SVP mit ihrer unrealistischen Motion „Systematische Grenzkontrollen sofort einführen“. Flächendeckende Grenzkontrollen gab es auch vor Schengen/Dublin nicht.
Am Mittag findet dann eine Kennenlernveranstaltung der Umweltverbände statt, diese „Lobby“ ist bei mir sehr willkommen ;-). Danach geht es schon wieder nach Hause. Fast tut es mir etwas weh, das schöne und beschauliche Bern zu verlassen, aber die Freude, meine Familie wieder zu sehen, überstrahlt alles!
Die zweite Woche, dritter Tag
Die Bundesratswahlen! Ganz sicher der Höhepunkt in dieser Session. Es ist schon ein sehr erhabenes Gefühl, unsere Landesregierung wählen zu dürfen. Schliesslich können das genau nur 246 Leute.
Das ganze Bundeshaus ist voller Presse- und Kameraleuten und ist mit unzähligen Scheinwerfern ausgestattet. So einen Medien-Auflauf habe ich wirklich noch nie gesehen. Man spürt förmlich, dass die Spannung und Nervosität bei allen wächst.
Zuerst wird Eveline Widmer-Schlumpf verabschiedet. Sie war eine mutige, gradlinige und sehr kompetente Bundesrätin. Ihre Abschiedsrede ist sehr berührend, das empfinden sogar auch „hartgesottene“ GenossInnen so. Der Applaus ist langhaltend, es gibt eine Standing Ovation. Das hat sie auch verdient!
Nachdem die bisherigen Mitglieder des Bundesrates gut wiedergewählt werden, steigt die Spannung im Saal spürbar, als die Wahlzettel für das 7. Mitglied verteilt werden. Die SP wählt Guy Parmelin, gleich vom ersten Wahlgang an. Wir schätzen ihn als „kleineres Übel ein“ als Thomas Aeschi, Norman Gobbi ist mit seiner Lega-Vergangenheit für uns sowieso nicht wählbar. Im 3. Wahlgang ist Guy Parmelin denn auch gewählt. Es ist nicht wirklich „unser“ Bundesrat, aber ich bin zuversichtlich, dass er sich am besten von den drei Kandidaten in den Bundesrat integrieren wird.
Die Vereidung der neuen Bundesregierung ist dann schon ein sehr feierlicher Moment. Und ich darf mitten drin dabei sein, Wahnsinn!
Die zweite Woche, zweiter Tag
Heute ist es endlich soweit: Mein ehemaliger Kantonsratskollege Angelo Barrile kann endlich auch als Nationalrat vereidigt werden, da der zweite Wahlgang des Ständerates im Kanton Zürich nun rechtskräftig ist. Ich freue mich sehr, dass Angelo nun auch „dabei“ ist!
Der Morgen steht dann unter dem Zeichen der Gesundheitspolitik. Für uns „Neue“ ist es nicht einfach, der Debatte zu folgen, da wir ja nicht zu Beginn der Gesetzesberatungen dabei waren. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das ändern wird ;-)! Vorläufig heisst es aber erst mal auf die FraktionskollegInnen zu hören und ihnen zu folgen.
Und dann ist es endlich soweit: Am Abend gehe ich mit meinen „Gschpänli“ in die berühmt-berüchtigte Bellevue Bar, die „Nacht der langen Messer“ hat begonnen! Ich muss aber zugestehen, ich bin etwas enttäuscht, ich habe mir das Ganze viel glamouröser vorgestellt. Es hat zwar viele Leute; solche die wichtig sind und aber auch solche, die es bloss meinen. Man steht etwas rum, nippt an seinem Drink, betreibt Smalltalk, das war’s dann aber auch schon. Immerhin ist die Weihnachtsdekoration im Hotel Bellevue sehr schön und feierlich. Von irgendwelchen Verschwörungen merke ich nichts. Wohl aber auch, weil es keine gibt. On verra...
Die zweite Woche, erster Tag
Die zweite Woche startet sehr angenehm: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga lädt die neuen NationalrätInnen der SP-Fraktion zu sich ins Bundeshaus West zum Kaffee ein. Ich bin beeindruckt, wie nahbar und ehrlich Simonetta ist. Ein stetiger Austausch mit der Fraktion ist ihr sehr wichtig.
Nachher beginnt die Ratsarbeit wieder, das Budget und Parlamentarische Initiativen stehen an. Ich erlebe nun selber, wie stark die Bauernlobby in Bern ist: Hier wird nicht (wie praktisch überall sonst) gespart, sondern noch 92,8 Mio. draufgelegt. Und dies mit uneingeschränkter Unterstützung der sonst so sparfreudigen rechten Ratsseite. Von „Opfersymmetrie“ ist hier also nichts zu spüren.
Die Bundesratswahl vom Mittwoch wirft aber deutlich ihre Schatten voraus. Auch wenn ich (noch) nicht zum inneren Zirkel der Parteileitung gehöre, ist doch eine gewisse Nervosität deutlich zu spüren. Die Bundesratswahl ist denn auch unser Hauptthema beim Spaghetti-Essen nach Sitzungsschluss. Morgen stehen die Hearings mit den drei SVP-Kandidaten an. Bin sehr gespannt darauf!
Der vierte Tag
Heute beginnen wir mit den Budgetberatungen. Der Voranschlag 2016 wird uns in den kommenden Tagen immer wieder beschäftigen. Der Grundtenor ist genau gleich, wie ich das von der kommunalen und kantonalen Ebene her kenne: Die Bürgerlichen möchten unbedingt mehr sparen, ohne dass man aber genau sagt, welche Leistungen denn konkret gestrichen werden sollen. Ohne Leistungskürzung wird man nicht wirklich viel einsparen können, aber „sparen“ tönt halt so viel besser wie „abbauen“.
Über Mittag nehme ich an der parteiinternen „AG Europa“ teil. Das Thema liegt auf der Hand: Wie soll die Masseneinwanderungsinitiative umgesetzt werden, ist die EU allenfalls zu einem Kompromiss bereit? Wir haben uns da ohne Not in eine Sackgasse begeben, aus der wir vielleicht gar nicht mehr rauskommen...
Am Nachmittag geht es dann bereits nach Hause. Ich freue mich so wahnsinnig, meine Familie wieder zu sehen! Bis jetzt gefällt es mir sehr gut in Bern und es ist alles total spannend, meine Familie vermisse ich aber schon sehr. Das ist der grosse Wermutstropfen meiner neuen Aufgabe.
Der dritte Tag
Thema des heutigen Morgens ist die Vorlage „Weiterentwicklung der Armee“. Als baldiges Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission muss ich der Debatte natürlich gut zuhören. Es wundert mich etwas, dass die bürgerliche Seite angesichts der erhöhten Gefahr von Terroranschlägen die Lösung in einer Aufstockung der Armee sieht. Meiner Meinung braucht es für diese Aufgabe vor allem mehr Spezialkräfte der Polizei, das müssen gut ausgebildete Profis sein. Der Vorlage wird deutlich angenommen, die neuen Mehrheitsverhältnisse zeigen sich hier zum ersten Mal. Im Juni gab es noch eine „unheilige Allianz“ von links und rechts, jetzt erhält die Vorlage eine satte Mehrheit. Die SP enthält sich der Stimme, als „Neuling“ und mit dem Geschäft noch nicht sehr vertraut, folge ich der Parteiraison.
Am Nachmittag wird die neue Nationalratspräsidentin Christa Markwalder gefeiert. Zuerst geht es mit Postautos nach Lützelflüh zum Gotthelf-Museum, nachher in ihre Heimatgemeinde Burgdorf. Ich war noch nie da und bin ganz begeistert! Eine sehr hübsche kleine Stadt mit einem wunderschönen historischen Kern. Da werde ich ganz sicher nochmals vorbeischauen!
Der zweite Tag
Heute gehe ich schon mit etwas mehr Selbstverständnis ins Bundeshaus. So ganz habe ich mich zwar noch immer nicht daran gewöhnt, dass ich durch den Haupteingang hinein darf. Doch es funktioniert also tatsächlich ;-)! Am Morgen ist nun ganz gewöhnlicher Ratsbetrieb. Es geht vorwiegend um die Volksinitiative „Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft“, kurz „Grüne Wirtschaft“. Es sprechen etwa 20 RednerInnen, das sind ganz schön viele. Bei der Schlussabstimmung dominieren leider dieselben Kräfteverhältnisse, wie ich sie mir aus dem Kantonsrat gewöhnt bin: Links/grün unterliegt deutlich.
Am Nachmittag ist Fraktionssitzung. Hauptthemen sind natürlich die Bundesratswahlen (doch ich werde mich hüten, hier Internas zu verbreiten ;-)) und die Kommissionssitzzuteilungen. Ich bekomme Einsitz in die Sicherheitspolitische Kommission. Das ist zwar nicht meine erste Wahl, aber als Sicherheitsvorsteherin habe ich immerhin einen Bezug zum Thema.
Der Tag wird mit einem weiteren Höhepunkt abgerundet: Die Neuen sind vom Bundesrat zum Apéro im ehrwürdigen Von-Wattenwyl-Haus eingeladen. Und man müsste schon sehr „hartgesotten“ sein, um sich davon kein bisschen beeindrucken zu lassen!
Der erste Tag
Begleitet von meinem Mann, meinem Bruder und zwei JournalistInnen steige ich ziemlich nervös in den Zug nach Bern. Dabei ist es gar nicht die bevorstehende Vereidigung, die mich momentan am meisten beschäftigt, sondern das Zeitmangement. Wenn wir in Bern sind, muss ich zuerst geschwind das Gepäck in die Wohnung tun, dann gibt es vor dem Bundeshaus noch Fotos, dann habe ich einen Interviewtermin mit einer Journalistin von der „Le temps“ und danach kann es dann endlich losgehen.
Das Innere des Bundehauses gleicht einem Bienenstock. Ganz viele Leute gehen ganz schnell und ganz wichtig hin und her. Ich selber bin erst mal absorbiert von den ganz profanen Fragen wie: Wo ist das nächste WC? Wo kann man einen Kaffee trinken? Was mache ich mit den Mengen von Papier auf meinem Pult? Warum funktioniert das WLAN nicht? etc. Bei der Vereidigung wird man dann aber doch sehr warm ums Herz und ich kann endlich einen Moment innehalten. Jetzt bin ich da, wo ich immer sein wollte. Das erfüllt mich mit Freude und Stolz, aber auch mit Respekt vor der politischen Arbeit, die kommen wird. Finde ich hier meinen Platz? Werde ich mich genügend einbringen können? Ziemlich erledigt bin ich dann auch bei Sitzungsschluss. Jetzt noch schnell „poschten“, damit ich wenigstens das Nötigste in der Wohnung habe.