Bundeshaus-Blog
Dritte Woche, vierter Tag (28.9.)
Heute ist sozusagen der letzte «normale» Sessionstag. Morgen sind dann nur noch Schlussabstimmungen und Verabschiedungen (habe ich schon erwähnt, dass mir davor graut?). Wir starten gleich mit harter Kost: Wie diskutieren das Massnahmenpaket 2 zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Das Paket schlägt sieben Massnahmen vor, wie zum Beispiel Netzwerke zur koordinierten Versorgung, differenzierte Wirksamkeit/Zweckmässigkeit/Wirtschaftlichkeit-Überprüfung, faire Referenztarife für eine freie Spitalwahl etc. Dass es Massanehmen zur Kostendämpfung braucht, ist unbestritten. Aber es ist nicht so, dass der Bundesrat nie etwas unternehmen wollte. Es ist dieses Parlament mit all seinen Interessensvertreter:innen von Krankenkassen und Pharmafirmen, das erfolgreich dafür gesorgt hat, dass es nicht vorwärts geht. Die Profitlogik im Gesundheitswesen muss endlich gestoppt werden! Die Vorlage fällt dann nicht zu unserer Zufriedenheit aus, einige Punkte sind gut, andere weniger. Wir stimmen zu oder enthalten uns. Immerhin erhält ein Postulat eine Mehrheit, das den Beitritt der Schweiz zur BeNeLuxA-Initiative prüfen soll. Mit einer internationalen Zusammenarbeit im Arzneimittelbereich kann billiger eingekauft werden.
Nach der Mittagspause kommt der Hammer aus dem Ständerat: Eine Motion der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats will den Bundesrat beauftragen, das Kriegsmaterialgesetz so zu ändern, dass sich die Landesregierung über die Bewilligungskriterien für die direkte Ausfuhr von Kriegsmaterial wieder hinwegsetzen kann. Die Motion würde die Errungenschaft des Gegenvorschlags zur Korrektur-Initiative also rückgängig machen. Mit dem Gegenvorschlag wurde nämlich in Art. 22a KMG verankert, dass kein Kriegsmaterial an Staaten geliefert werden darf, welche die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen oder wo ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird. Mit der vorliegenden Motion könnte der Bundesrat, basierend auf äusserst vagen Kriterien („ausserordentliche Umstände“; „Interessen des Landes“) von diesen Bedingungen wieder abweichen. Man lässt also wieder Schlupflöcher zu. Abgesehen davon, dass dieser „Move“ höchst undemokratisch ist, nützt er der Ukraine null und nichts. Direkte Waffenlieferungen sind neutralitätsrechtlich verboten. Es handelt sich hier also klar um eine „Lex Rüstungsindustrie“. Das Anliegen kommt leider durch im Ständerat, weil die Mitte gekippt ist, mit bedenklichen 27 Ja-Stimmen, bei 11 Nein und 3 Enthaltungen.
Nach Sitzungsschluss lädt der NR-Präsident Martin Candinas zum Apéro ein. Eine wahrlich verrückte Legislatur geht zu Ende. Wir kamen nicht mehr aus dem Krisenmodus raus: Corona-Krise, Ukraine-Krieg und CS-Debakel. Meine grundsätzliche Zuversicht, dass am Schluss doch alles gut kommt, hat Risse bekommen. Trotzdem verliere ich die Hoffnung nicht, es geht weiter! Aber jetzt bin erst mal traurig wegen all den lieben Kolleg:innen, die nicht mehr dabei sind werden, allen voran natürlich Angelo.
Dritte Woche, dritter Tag (27.9.)
Auf dem Pult liegt heute der obligate Zettel, der einen nett, aber bestimmt, darauf hinweist, dass wir unsere Pulte bis am Freitag leeren müssen. Ob wir den Schlüssel dazu wieder bekommen, steht erst am 22. Oktober fest…
Am heutigen Sitzungstag haben wir zwei ausserordentliche Sessionen zu den Themen „Wohnen und Mieten“ und „Zuwanderung und Asyl“. Ist jetzt schwierig herauszufinden, welche Partei welches Thema eingebracht hat ;-). Dem Wahlkampf kann man sich natürlich auch im Bundeshaus nicht entziehen. Die SVP schafft es, auch beim Thema Wohnen alles auf die Zuwanderung zu reduzieren. Um mehr bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, brauchen wir aber vor allem faire Mieten, eine Kontrolle der Bodenpreise und eine Förderung von gemeinnützigem Wohnbau, denn unser Boden ist ein kostbares und beschränktes Gut. Anstatt spezielle Wohnzonen für Superreiche zu schaffen, müssen wir verdichtet bauen, unsere Mobilität überdenken und das wertvolle Agrarland besser schützen. Alle unsere Vorstösse, die in diese Richtung gehen, werden leider abgelehnt.
Die ausserordentliche Session zur Zuwanderung wird zur übelsten SVP-Show. BR Elisabeth Baume-Schneider wird von der SVP mit Dutzenden Fragen «gegrillt». In diesem Ausmass habe ich das noch nie gesehen, Wahlkampf pur. Elisabeth kontert aber sehr gut. Fakt ist, dass wir dringend auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sind und dass wir Menschen in Not helfen müssen. Einfach die Grenzen zuzumachen ist keine realistische Lösung, das weiss im Grunde auch die SVP. Die Motion «Keine 10 Millionen-Schweiz» wird dann auch zum Glück abgelehnt.
Dann gibt es auch noch etwas Positives zu vermelden: Das Postulat aus der Rechtskommission «Verbesserung der Situation der nichtbinären Personen» wird überweisen. Die SVP ist dagegen und tut die berechtigten Anliegen von nichtbinären Personen als «Woke-Thema» ab.
Am Abend gehen Angelo Barrile, Claudia Friedl und ich in unserem Lieblingsrestaurant «Luce» essen. Wir sind schon ganz wehmütig, unser letzter gemeinsamer Abend hier zu dritt.
Dritte Woche, zweiter Tag (26.9.)
Der heutige Morgen ist wieder UVEK-Geschäften gewidmet. Nachdem der Nationalrat beim Mantelerlass dem Ständerat folgt, geht es danach um die Parlamentarische Initiative «Unnötige und schädliche Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes in Sachen Abbruch und Wiederaufbau von altrechtlichen Wohnungen aufheben.» Bei der Erweiterung altrechtlicher Wohnhäuser (also vor Inkrafttreten der Zweitwohnungsinitiative) sollen deren Eigentümer:innen mehr Spielraum erhalten. Sie sollen ihre Häuser um maximal 30 Prozent vergrössern und gleichzeitig zusätzliche Wohnungen schaffen können, ohne dass die Nutzung eingeschränkt wird. Die SP will nicht auf die Vorlage eintreten. Wir lehnen diese Änderung des Zweitwohnungsgesetzes ab, weil sie aus unserer Sicht den Zweitwohnungsartikel der Verfassung klar verletzt und sich ungünstig auf den Erstwohnungsmarkt auswirkt. Der Wohnraum für die Einheimischen wird so schlicht zu knapp und zu teuer. Leider tritt der Rat auf das Geschäft ein und stimmt der Vorlage dann auch mit 105:80 Stimmen bei 8 Enthaltungen zu. Jetzt ist der Ständerat dran.
Erfreuliches kommt kurz vor Mittag aus dem Ständerat: Auch die kleine Kammer stimmt der Ausserdienststellung der 25 Leopard 2-Panzern zu: Der Weg ist nun frei für einen Verkauf an Rheinmetall.
Am Mittag erreicht uns dann alle die erwartete, nicht wirklich frohe Botschaft: Die Krankenkassenprämien werden im Jahr 2024 weiter ansteigen, 8,7% im Schnitt. Es braucht jetzt dringend Entlastungsmassnahmen für die Bevölkerung – nur so kann die Kaufkraft gesichert werden. Die SP-Prämien-Entlastungs-Initiative ist ein guter Weg, die Bevölkerung schnell und wirksam zu entlasten. Der Gegenvorschlag ist ja leider total ungenügend in der Endfassung.
Dritte Wocher, erster Tag (25.9.)
Nach einem abwechslungsreichen Wochenende mit einigen Wahlkampfaktivitäten (zum Beispiel dem Frauen-Stadtrundgang in Winterthur, absolutes Highlight!) startet heute die dritte und letzte Sessionswoche in dieser Legislatur. Mir graut ehrlich gesagt vor dem Freitag, wenn ganz liebe Kolleg:innen und Freund:innen von mir verabschiedet werden, allen voran natürlich Angelo Barrile.
Aber bis es soweit ist, wird selbstverständlich noch gearbeitet. Wir beginnen mit einer Differenzbereinigung. Der Nationalrat hat in der ersten Woche noch beschlossen, dass junge Mütter auch während des Mutterschaftsurlaubs ihre politischen Mandate weiterhin wahrnehmen können sollen. Der Ständerat will dies weiterhin aber nur ermöglichen, wenn man sich in den jeweiligen politischen Gremien nicht vertreten lassen kann. Er setzt sicher leider durch damit. Aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
In Zukunft soll der Rechtsverkehr über eine digitale Kommunikationsplattform erfolgen können. Diese digitale Kommunikationsplattform soll von Bund und Kantonen gemeinsam aufgebaut und finanziert werden. Die Kantone sollen auch eigenständige Plattformen benutzen dürfen. Die Kosten für den Aufbau der Plattform werden mit 28 Millionen Franken veranschlagt. Vorgesehen ist, dass sich der Bund daran mit 25 Prozent beteiligt. Betrieb und Weiterentwicklung der Plattform werden über Gebühren finanziert. Das Geschäft ist weitgehend unbestritten, ausser die SVP ist dagegen. Sie hat Bedenken wegen der Cybersicherheit. Die Vorlage geht nun in den Ständerat.
Zweite Woche, vierter Tag (21.9.)
Heute Morgen beginnen wir mit WBF-Geschäften. Eine Motion von Roberto Zanetti aus dem Ständerat will den Bundesrat beauftragen, ein Massnahmenpaket zu verabschieden, um die durch die Energie- und Industriepolitik der EU zugunsten der Stahl- und Aluminiumindustrie entstandenen Marktungleichgewichte abzufedern. In der vorbereitenden Kommission WAK wurde die Motion abgelehnt, zu grosser staatlicher Eingriff. Im Rat kehrt es aber: Die Motion wird mit 119:56 Stimmen bei 11 Enthaltungen unterstützt.
Es geht erfreulich weiter: Ein Postulat aus der aussenpolitischen Kommission, das eine bessere Durchsetzung und Kontrolle gegen Russland im Rohstoffsektor verlangt, wird deutlich überwiesen. Nur die SVP ist dagegen.
Danach wechseln wir ins UVEK. Auch hier kehrt der Rat die Meinung der Kommissionsmehrheit: Eine Motion von Nik Gugger verlangt, dass unter 16-Jährige wirksam vor pornografischen Inhalten im Internet geschützt werden sollen. Die Mehrheit des Nationalrates nimmt den Jugendschutz ernst und stimmt der Motion mit 90:66 Stimmen bei 15 Enthaltungen zu.
Der Ratspräsident beendet die Sitzung heute aussergewöhnlich frühzeitig. Das freut mich natürlich, weil ich nun komfortabel den 13-Uhr-Zug erwische und schon bald zu Hause bin.
Zweite Woche, dritter Tag (20.9.)
Heute beginnt der Tag schon um 7 Uhr, ich habe GPK-Subkommissionssitzung. Wir sind aber schon nach einer halben Stunde fertig, es bleibt also noch Zeit für einen Kaffee, bis die Ratsdebatte beginnt. Es ist ein besonderer Sitzungsstart heute: Philipp Kutter kommt nach 7 Monaten zurück in den Nationalratssaal. Er hatte im Februar einen schrecklichen Skiunfall und ist seither querschnittsgelähmt. Die Begrüssung ist von allen sehr herzlich. Wir freuen uns, dass Philipp wieder da ist!
Beim ersten Geschäft heute handelt es sich um die Umsetzung der Burka-Initiative. Dieses neue Gesetz ist so nötig wie ein Pickel. Aber das Volk hat entschieden und Ja zum Verhüllungsverbot gesagt. Darum sind wir auch, im Gegensatz zu den Grünen, für Eintreten auf die Vorlage. Es ist eine pragmatische und unaufgeregte Umsetzung, wir können dem Gesetz, wenn auch ohne Begeisterung, zustimmen.
Danach beginnen die Beratungen zu einem Gesetz, bei welchem niemand der Bürgerlichen wirklich sagen kann, wie denn konkrete Anwendungsbeispiele aussehen könnten. Das Unternehmensentlastungsgesetz soll darauf abzielen, die Regulierungsbelastung der Unternehmen zu reduzieren und die Digitalisierung von Behördenleistungen weiter voranzutreiben. Jacky Badran kann sehr nachvollziehbar darlegen, warum es dieses Gesetz nicht braucht und es auch nichts bringt. Jacky und Markus Ritter liefern sich einen unterhaltsamen Schlagabtausch. Unsere Kritik nützt aber nicht, dem Gesetz wird mit 121.41 Stimmen zugestimmt, die Grünen enthalten sich.
Am Abend folge ich einer Einladung der britischen Botschaft. Als grosser Fan des United Kingdoms ist es eine Ehre für mich, mich mit dem britischen Botschafter und seinem Staff zu unterhalten. It was really a great evening!
Zweite Woche, zweiter Tag (19.9.)
Der heutige Tag startet mit einem kleinen Erfolg: FDP und SVP wollen die Abzüge für Versicherungsprämien und Zinsen von Sparkapitalien bei der direkten Bundessteuer erhöhen. Dieses Ansinnen steht völlig quer in der Landschaft, jetzt, wo der Bund vor grossen finanziellen Herausforderungen steht (u.a. wegen der Erhöhung des Armeebudgets). Zudem würde nur das reichste Drittel von dieser Steuerreduktion profitieren können. Der Rat tritt darum gar nicht erst auf die Vorlage ein, das Geschäft ist somit erledigt.
Wie gestern auch schon werden heute vor allem Vorstösse abgearbeitet, dieses Mal aus dem Finanzdepartement. Man spürt, dass die Legislatur zu Ende geht: Aufräumarbeiten ;-).
Nach einer hitzigen Fraktionssitzung am Nachmittag steht heute Abend wieder eine Sitzung der SP-Themenkommission Frieden und Sicherheit an. Dieses Mal widmen wir uns dem spannenden Thema innere Sicherheit: «Können Bodycams die Gewalt von und gegen Polizist:innen reduzieren?». Die Bilanz eines Pilotprojektes der Stadtpolizei Zürich ist durchwegs positiv, allerdings nicht so deutlich, wie man sich das vermutlich erhofft hat. Als ich das Bundeshaus verlasse, ist es bereist dunkel. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es trotz den noch milden Temperaturen Herbst geworden ist.
Zweite Woche, erster Tag (18.9.)
Das Wochenende war sehr entspannend, auch wenn ich am Samstag zahlreiche Wahlkampf-Anlässe hatte. Es tut mir schon sehr gut, wenn ich meine Familie um mich herum habe. Ich vermisse sie jeweils in Bern, auch noch nach acht Jahren.
Heute geht es den ganzen Tag um UVEK-Geschäfte. Als erstes stehen Differenzbereinigungen bei der Teilrevision Raumplanungsgesetz an. Mit einem Stabilisierungsziel soll bekanntlich die Anzahl Gebäude sowie die Bodenversiegelung im Nichtbaugebiet stabilisiert werden. Umstritten ist vor allem die Umnutzung nicht mehr benötigter landwirtschaftlicher Gebäude zu Wohnhäusern in der Landwirtschaftszone. Der Ständerat möchte solche Umnutzungen unter bestimmten Bedingungen zulassen. Der Nationalrat folgt nun leider der kleinen Kammer.
Nachher geht es um einen indirekten Gegenvorschlag zur Biodiversitäts-Initiative. Ein solcher würde sehr Sinn machen, denn wir haben nicht nur eine Klimakrise, sondern auch eine Biodiversitätskrise. Der Nationalrat entscheidet heute, ob ein indirekter Gegenvorschlag erarbeitet werden soll oder nicht. Diesem Ansinnen wird mit 99:77 Stimmen zugestimmt. Falls der Ständerat dem auch folgt, kann die UREK sich an die Arbeit machen.
Danach folgt eine weitere wichtige Vorlage: Es geht ums Bundesgesetz über den Wasserbau. Der Hochwasserschutz ist in diesem Gesetz geregelt. Der Bundesrat hat das WBG überarbeitet und an die neuen Herausforderungen angepasst (Klimawandel, wachsende Besiedlung und mehr versiegelte Fläche). Das in der Praxis bewährte integrale Risikomanagement im Umgang mit Naturgefahren soll im WBG verankert werden. Die SVP schafft es auch bei diesem Thema zu behaupten, dass die Zuwanderung schuld an Überschwemmungen sei, no comment. Die Vorlage wird schliesslich einstimmig angenommen und geht jetzt in den Ständerat.
Am späten Abend gibt es dann noch Erfreuliches zu vermelden: Zwei Atom-Wiederbelebungs-Vorstösse haben keine Chance im Rat.
Erste Woche, vierter Tag (14.9.)
Der Tag beginnt heute gleich mit einem wichtigen Geschäft: Junge Mütter sollen auch während des Mutterschaftsurlaubs ihre politischen Mandate weiterhin wahrnehmen können. Sie haben schliesslich als Volksvertreterinnen einen Wähler:innen-Auftrag. Im Nationalrat ist das Anliegen weitgehend unbestritten und wird mit 155:22 Stimmen bei 5 Enthaltungen unterstützt. Die Vorlage geht nun zurück in den Ständerat, der nur dann eine solche eine Regelung will, wenn man sich in den jeweiligen politischen Gremien nicht vertreten lassen kann. Hoffentlich setzt sich der Nationalrat durch!
Dann geht es weiter mit einem emotionalen Thema mit grossem Röschtigraben-Effekt: Eine Motion von Martin Haab verlangt ein Stopfleber-Importverbot. Ich stehe klar auf der Seite des Tierschutzes und bin für das Verbot. Leider erhält die Motion in der Version eines Verbotes keine Mehrheit. Einem Kompromiss, der lediglich eine Deklarationspflicht verlangt, wird jedoch mit 141:39 Stimmen bei 8 Enthaltungen zugestimmt. Man kann also im Ernst gegen eine Deklarationspflicht sein hier drin, unglaublich…
Ein paar Minuten früher als geplant ist Sitzungsschluss für diese Woche und es geht wieder nach Hause. Am Wochenende sind zahlreiche Wahlkampf-Veranstaltungen geplant; langweilig wird es mir also nicht ;-).
Erste Woche, dritter Tag (13.9.)
Heute geht es ums Transplantationsgesetz. Mit einer Teilrevision sollen verschiedene Bestimmungen im Bereich der Spende und Transplantation von Organen, Gewebe und Zellen angepasst werden. Es wird zum Beispiel ein Überwachungssystem für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse eingeführt, inklusive Meldepflicht. Zudem werden die formell-gesetzliche Grundlagen für Überkreuz-Lebendspenden
sowie für die verwendeten Datenbanken geschaffen. Die Vorlage ist unbestritten und wird mit 167:6 Stimmen bei 10 Enthaltungen angenommen. Die Nein-Stimmen und Enthaltungen haben vorwiegend ethisch-religiöse Gründe. Ich persönlich bin überzeugt von der Organspende und habe auch einen Organspende-Ausweis in meinem Portemonnaie.
Über Mittag findet ein Anlass der Parlamentarischen Gruppe für Polizei und Sicherheitsfragen statt. Als Präsidentin dieser Gruppe darf ich die Veranstaltung eröffnen. Es geht um einen neuen Gesetzesartikel, den das Parlament zukünftig ins Strafgesetzbuch nehmen will: Stalking soll neu Straftatbestand werden. Der entsprechende Artikel ist nun in der Vernehmlassung. Ein Stalking-Opfer, eine Juristin und ein Polizist legen die Argumente dar, warum es so einen Artikel braucht.
Am Abend gehen Angelo Barrile, Claudia Friedl und ich endlich alle zusammen essen. Das wollen diese Session noch öfters machen und diese gemeinsame Zeit geniessen.
Erste Woche, zweiter Tag (12.9.)
Heute ist ein spezieller Tag: Wir feiern 175 Jahre Bundesverfassung. Darum findet heute um 11.30 Uhr ein offizieller Festakt im Nationalratssaal statt, mit Vertreter:innen aus allen Kantonen auf der Tribüne. Die Bundesverfassung war der Startschuss für die moderne, demokratische und föderalistische Schweiz, die bis heute gut funktioniert. Auf weitere 175 Jahre!
Aber zuerst wird noch gearbeitet. Es geht einmal mehr um den Gegenvorschlag zu unserer Prämienentlastungs-Initiative. Schon heute zahlt eine vierköpfige Familie über 1000 Fr. pro Monat für die Krankenkassenprämien, und es wird nächstes Jahr noch mehr. Der Mittelstand ächzt unter den ständig steigenden Kosten, es braucht diese Initiative dringend! Der Ständerat den ganz passablen Gegenvorschlag total verwässert und der Nationalrat folgt ihm leider. Es wird nun viel zu wenig Geld ausgeschüttet (nur noch mickrige 360 Mio., im Gegensatz zu den 3,7 Mrd. der Initiative) und die Kantone können praktisch machen, was sie wollen. Das sind dann genau diejenigen Kantone, die nicht mal ihre Prämienverbilligungen vollständig ausschütten. Wir ziehen die Initiative nun nicht zurück!
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag geht es weiter mit den Festivitäten zum Verfassungs-Jubiläum. Dieses Mal wird auf dem Bundesplatz gefeiert. Das Tilo-Denkmal im Gibel des Bundeshauses wird feierlich enthüllt: Es besteht aus 246 Kacheln, eine für jede/n Parlamentarier:in.
HERBSTSESSION, 11.-29.9.2023, erste Woche, erster Tag (11.9.)
Heute beginnt die letzte Session in dieser Legislatur. Ich habe ehrlich gesagt sehr ambivalente Gefühle. Auf der einen Seite freue ich mich, alle wieder zu sehen und endlich wieder Sessionsarbeit zu machen, auf der anderen Seite ist es die letzte Session mit meinem besten Freund Angelo Barrile. Das macht mir mehr zu schaffen als ich es wahrhaben will. Wir wollen jetzt diese gemeinsame Zeit noch voll und ganz geniessen.
Die stetig steigenden Kosten im Gesundheitswesen sind das vorherrschende Thema in dieser Session. Es geht zum Beispiel einmal mehr um den Gegenvorschlag zur SP-Prämienentlastungsinitiative. Aber auch der Klimaschutz steht auf der Traktandenliste. Der Ständerat diskutiert als Erstrat über die Neuauflage des Co2-Gesetzes.
Heute starten wir aber mit sicherheitspolitischen Themen. Zuerst geht es um Differenzbereinigungen beim Informationssicherheitsgesetz. Konkret gibt es noch eine Differenz zum Ständerat: Der Nationalrat möchte, dass kritische Infrastrukturen auch bereits das Bemerken einer Schwachstelle melden müssen. Die Differenz bleibt weiterhin bestehen, das Gesetz geht zurück in den Ständerat. Nachher wird der Zusatzbericht zum Sicherheitspoltischen Bericht 2021 diskutiert. Dieser Zusatz wurde wegen Ausbruchs des Ukraine-Krieges nötig. Der Bundesrat hält darin fest: Ein Angriff auf die Schweiz mit konventionellen Mitteln ist höchst unwahrscheinlich. Für die SP ist klar: Der Entscheid des Parlaments, das Armeebudget bis 2030 um 1% des BIP zu erhöhen, war überhastet und unnötig. Dieses Geld fehlt jetzt in der Entwicklungszusammenarbeit und er der Bildung.
Danach steht die sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, der sogenannte Mantelerlass, wieder auf der Traktandenliste. Es gibt noch einige Differenzen zum Ständerat, von denen die meisten aber auch nach der heutigen Debatte weiterhin bestehen bleiben. Der Abend endet leider mit einem Tiefpunkt: Eine Motion von Erich Hess, die eine sechsspurige Autobahn A1 verlangt, wird mit 94:87 Stimmen angenommen.
Dritte Woche, letzter Tag (16.6.)
Der letzte Sitzungstag ist rekordmässig kurz: Um 8.35 Uhr sind wir schon fertig. Es war eine intensive Session mit PUK-Einsetzung und Selenski-Rede. Die Schlussabstimmungen bergen keine Überraschungen mehr, es werden alle Vorlagen angenommen. La sessiun ei finida, um es in den Worten des Nationalratspräsidenten zu sagen.
Aber es ist noch nicht Sommerpause. Am Montag habe ich bereits wieder Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission. Jetzt kann ich es aber erst mal kaum erwarten, meine Familie wieder zu sehen!
Dritte Woche, vierter Tag (15.6.)
Der Höhepunkt des heutigen Tages ist natürlich die Rede von Wolodimir Selenski zum Parlament. Als Zeichen der Solidarität trägt die ganze SP-Fraktion Ukraine-Pins.
Aber zuerst gilt es noch ein gewichtiges Geschäft zu beraten: die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes. Es geht in dieser 2. Etappe der RPG-Revision ums Bauen ausserhalb der Bauzone. Im Dezember 2019 ist der Nationalrat nicht auf das Geschäft eingetreten. Der Ständerat hat die Vorlage nun überarbeitet und auch gleich die Anliegen der Landschaftsinitiative als indirekten Gegenvorschlag miteinbezogen. Mit einem Stabilisierungsziel soll die Anzahl Gebäude sowie die Bodenversiegelung im Nichtbaugebiet stabilisiert werden. Der „Schicksalsartikel“ ist derjenige, welcher die Umnutzung angebauter Ökonomiegebäude vollständig für Wohnzwecke ermöglichen will. Dieser Artikel läuft dem Stabilisierungsziel diametral entgegen. Es kommt aber gut, der Artikel wird mit 101:82 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. In der Gesamtabstimmung wird das RPG2 schliesslich einstimmig angenommen.
Um 14 Uhr ist es dann soweit: Selenski wird zugeschaltet. Allen Hackerangriffen zum Trotz gelingt die Übertragung doch. Philipp Schwab, der Chef der Parlamentsdienste, meinte, dass es wohl einfacher gewesen wäre, wenn Joe Biden hier live aufgetreten wäre. Die Rede von Selenski ist klar, deutlich und sehr ergreifend. Wir müssen noch mehr für die Ukraine tun! Die SVP bleibt der Rede fern, ausser Res Aebi und Hannes Germann. Unwürdiger Kindergarten.
Dann gibt es auch noch etwas Erfreuliches zu berichten. Eine Motion aus der SiK-N, die eine sofortige Zusammenlegung von Zivilschutz und Zivildienst fordert, wird zum Glück mit 83:96 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt! Diese Motion wäre ein totaler, unüberlegter Schnellschuss gewesen, der nur zur Absicht hatte, den Zivildienst zu schwächen.
Nach Sitzungsschluss findet unser Fraktionsessen statt. Nicht ganz passend für den Sommer, aber dennoch sehr lecker, essen wir Raclette. Die Stimmung ist ausgezeichnet und Raclette im Sommer funktioniert definitiv.
Dritte Woche, dritter Tag (14.6.)
Heute ist der 14. Juni, Tag des feministischen Streiks! Die links-grüne Ratsseite erscheint darum vorwiegend in violett und pink. Auch 2023 gibt es noch zahlreiche Forderungen, die in Sachen Gleichstellung noch nicht erreicht sind: Lohngleichheit, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Schutz vor sexualisierter Gewalt. Darum lohnt es sich auch weiterhin, für diese Rechte zu kämpfen.
Im Rat steht heute die Armeebotschaft 2023 auf der Traktandenliste. Das Eintretensvotum für die SP-Fraktion halte ich selbstverständlich im violetten Outfit. Die Armeebotschaft 2023 geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Sie zeichnet sich nämlich durch eine Verstärkung der Verteidigung aus, was die SP angesichts der Realitäten in Europa für richtig und zielführend hält. Trotzdem kann es nicht für alles einfach mehr geben. Die SP-Fraktion unterstützt daher den Nicht-Eintretens-Antrag beim Zahlungsrahmen. Die zusätzlichen 600 Mio. sollen intern kompensiert werden. Erwartungsgemäss sieht das die Mehrheit aber nicht so. Am meisten Aufmerksamkeit erhält aber der Antrag der SiK auf die Ausserdienststellung der beinahe schon berühmten Leopard-Kampfpanzern. Da Deutschland viele eigene Leo-Panzer in die Ukraine geschickt hat, bestehen nun Sicherheitslücken. Darum hat unser Nachbarland uns angefragt, einen Teil der 96 bei uns eingemotteten Leo-Panzer kaufen zu können. Sogar die Armee selber hat in einem Faktenblatt dargelegt, dass sie nur 71 von diesen Panzern brauche. Der Antrag erhält dann auch mit 132:59 Stimmen bei 2 Enthaltungen eine Mehrheit. Die Panzer dürfen aber nur ins Herstellerland Deutschland wiederverkauft werden.
Danach geht es zum dritten Mal um die temporären Notunterkünfte für Asylsuchende. Der Nationalrat hält an ihnen fest, heute Mittag findet die Einigungskonferenz statt.
Der Systemwechel bei der Eigentumsbesteuerung ist heute auch wieder Thema. Nachdem im September letzten Jahres der Nationalrat die Vorlage an die Kommission zurückgewiesen hat, ist jetzt der neue Vorschlag da. Man will den Eigenmietwert für alle Wohnungen weiterhin abschaffen, aber trotzdem Abzüge zulassen, oder zumindest einen Teil davon. Dies begünstigt ungerechtfertigt die Eigentümer und macht die Reform sehr teuer. Grob geschätzt kostet sie 1 Milliarde. Man kann nun mal nicht den Foifer und s‘Weggli haben. Wir lehnen die Vorlage ab, sie erhält aber doch mit 109:75 Stimmen bei 8 Enthaltungen eine Mehrheit.
Nach einer von der SVP initiierten, hässlichen und viel zu langen Migrations-Debatte, gibt es danach – passend zum heutigen Tag – auch eine zur Gleichstellung. Wir schmücken dazu unsere Laptops mit violetten „Gleichstellung jetzt“-Plakate. Natürlich dürfen wir das nicht, und der Ratspräsident ermahnt uns auch. Aber die Fotos sind dann schon alle gemacht ;-).