Bundeshaus-Blog
Zweiter Tag (4.5.)
Heute Morgen beschäftigt uns das sogenannte DNA-Profil-Gesetz. Die Polizei soll mittels Phänotypisierung Fandungsprofile erstellen können. Es können äussere Merkmale wie Haar-, Augen- und Hautfarbe festgestellt werden, so wie die biogeografische Herkunft. Es handelt sich hier aber nicht um exakte Fandungsbilder, sondern nur um Wahrscheinlichkeiten. Die Phänotypisierung kann einen Beitrag zur Aufklärung leisten, ist aber kein Wundermittel. Für die SP ist darum wichtig, dass der Deliktekatalog klar eingeschränkt ist, nur bei schweren Straftaten gegen Leib und Leben soll die Phänotypisierung angewendet werden können. Leider unterliegt der entsprechende Minderheitsantrag, wir hoffen nun auf den Ständerat.
Am Nachmittag geht es um die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, damit im Asylverfahren Mobiltelefone eingezogen und überprüft werden können. In erster Linie sollen diese Überprüfungen der Identifizierung dienen. Diese Parlamentarische Initiative kommt von der SVP und hat klar zum Ziel, mehr Rückführungen und Abschiebungen zu ermöglichen. Ein Versuch aus Deutschland von 2016 zeigt ernüchternde Ergebnisse: Die Hälfte der Auswertungen waren unbrauchbar und brachten keinen Mehrwert betreffend Identifizierung. Es stellt sich einmal mehr die grundsätzliche Frage, wie weit der Staat in die Persönlichkeitsrechte eingreifen darf, wenn sich Asylbewerber*innen aus Angst vor einer Abschiebung der Mitwirkung verweigern oder amtliche Dokumente fehlen. Bei der Aufklärung schwerer Straftaten braucht es für solch massive Eingriffe in die Grundrechte nämlich eine richterliche Genehmigung. Mit dieser Vorlage werden Asylbewerber*innen also schlechter gestellt. Der Protest der linken Ratsseite nützt aber leider nichts, der Gesetzesänderung wird mit 123:65 Stimmen zugestimmt und geht nun in den Ständerat. Immerhin erhält der Minderheitsantrag der SVP, welcher ein zwangsweiser Entzug von mobilen Datenträgern fordert, keine Mehrheit.
Sondersession, 3.-5. Mai 2021, erster Tag (3.5.)
Wie meistens im Mai findet auch dieses Jahr eine Sondersession statt. Die Geschäftslast im Nationalrat ist immer sehr hoch, darum braucht es jeweils diese Zusatztage. Vor einem Jahr wurde die Sondersession zur ausserordentlichen Session umfunktioniert, da die ganzen Beschlüsse, die der Bundesrat in der ausserordentlichen Lage gefällt hatte, vom Parlament gutgeheissen werden mussten. In dieser Sondersession steht kein einziges Covid-Geschäft auf der Traktandenliste. Das gab es seit dem Ausbruch der Pandemie nie mehr.
Diese kurze Session ist aber aus einem anderen Grund sehr bedeutend für mich: Angelo Barrile ist endlich wieder dabei! Nach seiner schweren Krebstherapie, ist er auf dem Weg der Besserung und wagt sich wieder ins Bundehaus. Es ist sehr emotional – in erster Linie natürlich für Angelo, aber auch für uns alle. Jetzt geht es aufwärts, es ist so schön, dass er wieder hier ist!
Im Rat geht es heute um Zucker, bzw. um die Höhe der Subventionierung des Zuckerrübenanbaus. Ohne staatliche Unterstützung wäre der Zuckerrübenanbau in der Schweiz nicht rentabel, denn der internationale Zuckerpreiszerfall zerstört auch die inländische Wertschöpfung. Die Frage ist nur, wie hoch die staatliche Unterstützung ausfallen soll. Die Ökologisierung wurde in der Zuckerrübenwirtschaft leider total verschlafen, da muss endlich etwas passieren. Das finden ganz viele so, darum erhält der Einzelantrag von Martina Munz im Sinne eines Kompromisses eine klare Mehrheit von 155:29 Stimmen: Die von der Landwirtschaft geforderten 2100 Fr. pro Hektare pro Jahr sollen noch bis 2026 ausbezahlt werden. Nachher nur noch, wenn die Zuckerrüben den Anforderungen der biologischen Landwirtschaft oder der integrierten Produktion entsprechen. Bis in vier Jahren sind dann auch genügend resistente Sorten gefunden worden, das reduziert den Pestizideinsatz. Unter dieser Bedingung kann auch die SP dem Gesetz zustimmen.
Dritte Woche, letzter Tag (19.3.)
Bevor wir am letzten Sessionstag zu den Schlussabstimmungen kommen, müssen wir noch die Revision zum Bankengesetz fertig beraten, das haben wir während der Session nicht mehr geschafft. Es geht um Regelungen bei Insolvenz, Einlagensicherung und Segregierung.
Bei der letzten Schlussabstimmung heute handelt es sich ums Covid-19-Gesetz. Alle Fraktionen sprechen nochmals dazu. Die Strategie ist klar: Impfen, testen, Contact Tracing und Hygieneregeln einhalten. Das Covid-19-Gesetz schafft die Grundlage für die weiterhin dringend benötigten wirtschaftlichen Unterstützungsleistungen. Nur so finden wir einen Weg aus dieser Pandemie. Dem Gesetz wird mit 169:13 Stimmen bei 13 Enthaltungen zugestimmt. Selbstverständlich wird uns Corona auch in der Sommersession weiter beschäftigen.
Jetzt geht es aber erst mal nach Hause. Auf den SP-Pulten heute stehen heute Osterhäsli, verteilt von unserem Fraktionspräsidenten Roger Nordmann. Freue mich schon sehr auf ein paar ruhige Ostertage mit meiner Familie!
Dritte Woche, vierter Tag (18.3.)
Den ganzen Tag wird heute die Revision der Strafprozessordnung (StPO) beraten. Diese war vor 10 Jahren in Kraft getreten, sie schaffte eine Harmonisierung zwischen den 26 Kantonen und führte zu mehr Transparenz. Jetzt braucht es wieder eine Revision, es zeigten sich gewisse Mängel in der Praxis. Die Antwort für die Ressourcenprobleme bei den Strafverfolgungsbehörden kann aber nicht die Einschränkung der Grundrechte sein. Der Rat ist darum auch skeptisch, der Polizei zB. zu viele Möglichkeiten bei Observationen einzuräumen, was die SVP als Täter*innenschutz abtut. Sie lehnt darum die Vorlage als einzige Partei auch ab, das Geschäft geht in den Ständerat.
Die Beratungen zur StPO werden am Morgen kurz unterbrochen, es geht ein letztes Mal ums Covid-19- Gesetz: Der Antrag der Einigungskonferenz ist da, die Bilanz ist durchzogen. Kurzarbeitsentschädigungen werden verlängert und mehr Selbständige erhalten Erwerbsersatz, der Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche bleibt erhalten und die Unterstützung für freischaffende Kulturschaffende wird ausgedehnt. Zudem wurde die Grundlage für einen Impfausweis geschaffen. Die «Härtefall-Logik» wurde jedoch nicht überwunden, erst bei einem Umsatzrückgang von mindestens 40% gilt man als Härtefall. Und bei den Geschäftsmieten gibt es leider keine Lösung, die Bürgerlichen stellen sich quer. Insgesamt werden die Hilfsgelder von 2,5 auf 10 Milliarden erhöht. Vermutlich wird auch dies nicht ausreichen und wir müssen wohl in der Sommersession nachbessern. Denn jeder Franken, den wir jetzt für die Erhaltung der Arbeitsplätze ausgeben, ist ein gut investierter Franken.
Ganz zum Schluss gibt es noch Positives zu vermelden. Es geht darum, Lohnexzesse bei den Bundes- und bundesnahen Betrieben einzuschränken. Ein SP-Antrag, dass die Entschädigung nicht mehr als 1 Mio. betragen darf, erhält dank Unterstützung der SVP eine Mehrheit. Doch vermutlich wird diese Regelung den Ständerat nicht überstehen…
Ansonsten war heute ein hektischer Tag, lässt sich leider kaum vermeiden zu Sessionsende. Plötzlich fällt einem wem, welche Gespräche unbedingt noch geführt werden müssen, welche Vorstösse noch eingereicht werden sollen etc. Am Abend bin ich ziemlich «groggy».
Dritte Woche, dritter Tag (17.3.)
Und wieder einmal mehr geht es ums Covid-19-Gesetz. Es bestehen weiterhin Differenzen zum Ständerat, der Nationalrat hält an diesen fest. Zum Beispiel soll festgeschrieben werden, dass der Bund wichtige medizinische Güter nicht nur selber beschaffen, sondern auch selber herstellen soll. An der Miet- und Pachtzinserstreckung von mindestens 90 Tagen wird festgehalten, sowie an der Gültigkeit des Schutzschirms für die Veranstaltungsbranche bis am 30. April 2022. Bei der Härtefalldefinition macht der Nationalrat nochmals einen Kompromissversuch: In Ausnahmefällen gilt jemand auch als Härtefall, wenn ein Umsatzrückgang mindestens 25% beträgt. Der Ständerat will ja die Grenze bei 40% festlegen. Und die Geltungsdauer der Hilfeleistungen soll bis Ende Jahr verlängert werden. Das Gesetz geht nun in die Einigungskonferenz.
Der Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative kommt bereits aus der Einigungskonferenz, ihm wird beinahe einstimmig zugestimmt. Mit dem Gegenvorschlag werden die meisten Anliegen der Initiant*innen erfüllt, das ist gut so. Vermutlich wird die Initiative darum auch zurückgezogen.
Danach werden mehrere Dringliche Interpellationen der einzelnen Fraktionen gemeinsam behandelt. Es geht um Öffnungsschritte, Impfstrategie oder Datenmanagement. Die SVP lässt es sich nicht nehmen, zahlreiche Fragen an BR Alain Berset zu stellen. Er kontert aber wie gewohnt kompetent und überzeugend.
Am meisten Zeit beansprucht heute die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Wenn es darum geht, warum jemand mit dem Rauchen beginnt, kommt der Tabakwerbung ein grosses Gewicht zu. Sie zeigt ihre Wirkung vor allem bei Jugendlichen und beeinflusst damit ihren Rauchbeginn. Kein Wunder, setzt die Tabakwerbung genau hier an. Eine wirksame Tabakprävention kann darum nur mit einem umfassenden und strikten Werbe-, Promotions- und Sponsoringverbot für Kinder und Jugendliche erfolgreich sein. Die Initiative wird knapp abgelehnt, mit 96:84 Stimmen. Da das Tabakproduktegesetz zurzeit in der parlamentarischen Beratung ist, gibt es aber nochmals eine Chance, dieses Werbeverbot festzuschreiben.
Dritte Woche, zweiter Tag (16.3.)
Die Agrarpolitik prägt den heutigen Ratsmorgen. Die zahlreichen Bauern im Nationalrat wehren sich wieder einmal gegen griffige Massnahmen im Bereich Umwelt- und Trinkwasserschutz. Zum Glück nicht immer mit Erfolg. Bei der parlamentarischen Initiative aus der WAK «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» ist allerdings ein Erfolg zu verzeichnen: Die Kantone sollen laut Nationalrat in Zukunft Zuströmbereiche für die im öffentlichen Interesse liegende Grundwasserfassungen bezeichnen.
Die Vorlage «Agrarpolitik ab 2022» wird wie bereits im Ständerat sistiert, die Bauernlobby macht weiterhin auf Arbeitsverweigerung und Verzögerungstaktik. Das Geld für die Direktzahlungen muss aber trotzdem gesprochen werden. Insgesamt sind dies beinahe 14 Milliarden, ohne dass klar ist, wie die zukünftige Agrarpolitik aussehen wird. Ich enthalte mich darum bei der Abstimmung.
Am Nachmittag findet wie immer am Dienstag die Fraktionssitzung statt. Zum Glück dauert sie nicht ewig lange, so habe ich noch etwas Zeit bis zum nächsten Termin. Das ist die GL-Sitzung der SP Kanton Zürich. Da sie wiederum online stattfindet, kann ich bequem von Bern aus daran teilnehmen.
Dritte Woche, erster Tag (15.3.)
Die dritte und letzte Sessionswoche hat begonnen. Ich erinnere mich noch gut an die Situation vor einem Jahr. Da wurde nach der zweiten Woche die Session abgebrochen, der Bundesrat hatte die ausserordentliche Lage erklärt. Hätte ich damals gewusst, dass Corona auch ein Jahr später noch immer das vorherrschende Thema ist, ich wäre wohl ziemlich verzweifelt gewesen. Damals war es geradezu interessant, weil man noch keine Erfahrungen mit Pandemien auf diesem Niveau hatte. Nun ja, wir sind in dieser Beziehung definitiv um ein paar Erkenntnisse reicher…
Die Sitzung beginnt heute mit einer ausserordentlichen Session zu Migration und Asyl, von der SVP angeregt. In zwei Motionen fordern sie, dass Resettlement-Migrant*innen mit ungeklärter Identität keinen Schutz bekommen sollen oder falls doch, dann nur in Gefängnis ähnlichen Einrichtungen. Diese Motionen sind – um es in den Worten von Tiana Angelina Moser zu sagen – inhuman, faktenlos und irrelevant. Es ist ein Frontalangriff gegen vulnerable Personen und gegen jegliches humanitäres Engagement. Niemand ausserhalb der SVP unterstützt diese Motionen.
Sowohl die Grünen wie auch die SP wollen mit ihren parlamentarischen Initiativen die Einsetzung einer PUK, welche die cryptoleaks-Affäre aufarbeitet. Der Aspekt der Einhaltung der Neutralität und der Komplizenschaft vom Nachrichtendienst wurde von der GPDel nicht genügend beleuchtet. Ausser der SP und den Grünen stimmt aber niemand sonst im Rat einer PUK zu. Schade, vertane Chance.
Heute schaut aber alles auf den Ständerat. Er führt die Debatte zur AHV-Reform. Das Ergebnis ist enttäuschend und so nicht akzeptabel. Falls das Rentenalter für Frauen für eine gesicherte Finanzierung der AHV erhöht werden soll, braucht es zwingend Kompensationsmassnahmen, so wie das bei der Altersvorsorge 2020 der Fall gewesen wäre. Die nun vorliegende Lösung aus dem Ständerat ist aber eine Rentenabbauvorlage und würde so vor dem Volk keine Chance haben.
Zweite Woche, vierter Tag (11.3.)
Wiederum steht das Covid-19-Gesetz auf der Traktandenliste. Gestern hat der Ständerat so einige Entscheide des Nationalrates vom letzten Montag wieder rückgängig gemacht. Der Ständerat hat 21 Differenzen geschaffen, 15 lässt die WAK-N stehen. Zum Beispiel die Härtefall-Definition: Für den Ständerat ist man erst ein Härtefall, wenn man mindestens 40% Umsatzeinbusse hat, der Nationalrat wollte mindestens 25%. Die Kommission schlägt nun einen Kompromiss bei 30% vor, der eine Mehrheit im Nationalrat erhält. Dieser Passus ist das Herzstück des Gesetzes. Es geht darum, Konkurse zu verhindern. Das käme unter dem Strich nämlich viel teurer.
Der Ständerat hat die Regelung, dass der Bund keine finanziellen Beiträge an kantonale Grundeinkommen ausrichten darf, wieder gestrichen. Der Nationalrat folgt nun zum Glück. Gerade für den Kanton Zürich zentral, in welchem pauschalisierte Ausfallsentschädigungen an Kulturschaffende ausbezahlt werden sollen.
An der Fristerstreckung für Mieten (mind. 90 Tage) und Pachtzahlungen (mind. 20 Tage) hält der Nationalrat fest. Am Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche wird ebenfalls festgehalten, es gibt aber Präzisierungen und der Höchstbetrag von 350 Mio. wird nicht ins Gesetz geschrieben. Damit geht das Gesetz wieder zurück in den Ständerat, es bestehen weitere Differenzen.
Damit ist auch die zweite Sessionswoche bereits wieder vorbei – es geht immer so schnell! - und ich kann wieder nach Hause zurückkehren.
Zweite Woche, dritter Tag (10.3.)
Heute Morgen steht die zweite von drei Volksinitiativen in dieser Session im Fokus der Beratungen. Es geht um ein bedingungsloses Tier- und Menschenversuchsverbot. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und unterbreitet weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag. Die Initiative geht allen zu weit, ist zu absolut formuliert. Tierversuche lösen viele Emotionen aus, zu Recht. Viele sind umstritten und bringen die Wissenschaft auch nicht weiter. Es braucht ethisch einwandfreie Tierversuche mit klaren Regeln. Die 3R-Forschung geht in diese Richtung: replace, reduce, refine. Diese sollte gesetzlich verankert werden, darum gibt es zwei Rückweisungsanträge an die Kommission, damit dazu ein indirekter Gegenvorschlag ausgearbeitet werden kann. Beide Anträge werden jedoch abgelehnt. Auch der Minderheitsantrag von Meret Schneider, der einen direkten Gegenvorschlag mit einem schrittweisen Ausstieg aus den Tierversuchen verlangt, wird abgelehnt. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Über Mittag findet eine Online-Sitzung der Parlamentarischen Gruppe Menschenhandel, die ich präsidiere, statt. Es geht heute darum, dass es bei der Bekämpfung des Menschenhandels in den Kantonen leider grosse Unterschiede gibt.
Am Nachmittag passiert mir ein Riesen-Fauxpas. Ich habe eine Motion von Margret Kiener Nellen übernommen, welche ja nicht mehr im Rat ist. Es geht um eine Angleichung des Höchstbetrags aus der EO für Dienstleistende und für Frauen im Mutterschaftsurlaub. Da ich sonst nie EDI-Vorstösse habe, war mir dies nicht mehr bewusst und bin darum auch nicht im Saal um sie zu begründen. Zum Glück tut dies der Forderung keinen Abbruch, sie erhält eine Mehrheit. Sorry, Margret, aber zum Glück nochmals gut gegangen!
Ein Postulat von Angelo Barrile, das kostendämpfende Massnahmen bei patentgeschützten Medikamenten verlangt, wird mit Stichentscheid des Ratspräsidenten abgelehnt, Angelo hat genau gefehlt und wäre natürlich noch so gerne dabei gewesen. Unser Fraktionspräsident Roger Nordmann bittet um Wiederholung der Abstimmung und siehe da, das Postulat erhält eine Mehrheit. Das freut mich sehr!
Zweite Woche, zweiter Tag (9.3.)
Nach 4 ½ Stunden Schlaf, was für meine Verhältnisse etwas wenig ist, geht es heute pünktlich um 8 Uhr weiter. Die Sitzung startet mit Aussenpolitik und es ist auch gleich ein kleiner Erfolg zu verzeichnen: Zwei Postulate aus der Aussenpolitischen Kommission werden angenommen. Das eine verlangt eine aktive Bekämpfung der US-Blockade gegen Kuba, das andere fordert einen Bericht über die Umsetzung des bilateralen Menschenrechtsdialog zwischen der Schweiz und China.
Nach der Aussenpolitik werden die Beratungen zur Justiz-Initiative weitergeführt. Diese will die Wahl der heutigen Bundesrichter*innen durch ein Losverfahren mit Zufallsgenerator ersetzen. Es gäbe keine Wiederwahl, sondern eine einmalige Amtszeit, dafür würde neu ein Abberufungsverfahren eingeführt. Die Initiant*innen sind geprägt durch ein tiefes Misstrauen gegen das heutige System. Dieses ist sicher nicht perfekt, funktioniert aber doch ganz gut. Besonders in der Kritik steht bei den Initiant*innen der Parteienproporz. Es ist aber allemal sinnvoll, das Bundesgericht mit einer gewissen Vielfalt auszustatten. Dazu gehören die Vielfalt der Sprachregionen und die Vertretung der Geschlechter, aber auch eine Vielfalt der Weltanschauungen und Werthaltungen. Der Rat entscheidet heute, dass er der Initiative weder einen indirekten noch direkten Gegenvorschlag gegenüberstellen will. Das Geschäft geht nun in den Ständerat.
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag findet die Sitzung der Fachkommission für Frieden und Sicherheit das erste Mal online statt, aus bekannten Gründen. Es geht heute um den Bürgerdienst für alle, eine Volksinitiative des Vereins «service citoyen». Die Initiative tönt auf den ersten Blick gut. Es gibt aber grosse Skepsis, was die konkrete Umsetzung betrifft. Der Initiativtext enthält zu viele Unbekannte und zu vage Formulierungen. Aus Frauensicht ist zudem stossend, dass damit eine weitere Pflicht eingeführt werden soll, bevor Frauen überhaupt die vollständigen Rechte haben.
zweite Woche, erster Tag (8.3.)
Das Abstimmungswochenende war eine durchzogene Sache. Auf nationaler Ebene ist es sehr peinlich, dass das Verhüllungsverbot eine Mehrheit bekam, passieren wird aber deswegen nicht viel. Immerhin wurde die E-ID abgelehnt, weil die Mehrheit der Stimmbevölkerung ebenfalls der Meinung war, dass die Erstellung einer elektronischen Identität Staatsaufgabe sei. Als Co-Präsidentin der SP Kanton Zürich war ich aber vorwiegend für die kantonalen Vorlagen „in charge“. Ich bin zufrieden, dass der Revision des Sozialhilfegesetzes zugestimmt wurde, diese schafft nun einen klaren Rahmen und Rechtssicherheit für den Einsatz von Sozialdetektiv*innen. Dass nun die Nationalitätszugehörigkeit in Polizeimeldungen immer erwähnt wird, halte ich nach wie vor für falsch.
Vor Beginn der Ratsdebatte macht die SP-Fraktion draussen vor dem Bundehaus eine Aktion zum internationalen Frauentag. Wir wollen auf die immer noch grosse Anzahl von Femiziden und auf die Gewalt gegen Frauen hinweisen.
Im Nationalrat steht dann die grosse Monster-Debatte zum Covid-19-Gesetz an, open end… Nach einer neunstündigen Debatte hat der Nationalrat folgendes beschlossen:
- Ein Härtefall liegt vor, wenn der Jahresumsatz unter 75% des mehrjährigen Durchschnitts liegt (nicht mehr bei 60%).
- Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 5 Mio. bekommen die Höchstbeiträge schon, wenn Umsatzrückgang mehr als 70% beträgt
- Keine Plafonierungen der Beiträge im Kultur- und Veranstaltungsbereich
- Eine Erwerbsausfall-Entschädigung soll es nun schon bei mindestens 20% Umsatzeinbusse geben (nicht mehr erst bei 40%)
- Keine Erhöhung der Sonntagsverkäufe von 4 auf 12
- Die Kurzarbeitsentschädigung wird bis 31.12.2021 ausgeweitet
- Die Entmündigung des Bundesrates geht viel weniger weit als von der Kommission beantragt
- Der Bund leistet keine Beiträge für kantonale Grundeinkommen. Dies betrifft leider auch die Lösung für Kulturschaffende im Kanton Zürich.
- Aus der ominösen Total-Öffnung ab dem 22. März wird nichts mehr: Der Rat stimmt gegen die frühzeitige Öffnung der Restaurants, Kultureinrichtungen, Fitnessstudios etc.
- Der Maulkorb für die wissenschaftliche Task-Force wird gestrichen
- Ein schweizweit funktionierendes Contact-Tracing soll in Zusammenarbeit mit den Kantonen sichergestellt werden
Vom grossen Aufstand gegen den Bundesrat und gegen «Diktator» Berset ist nicht mehr viel übrig geblieben, zum Glück! Um 00.45 Uhr ist die Sitzung dann endlich beendet, bin hundemüde…
Erste Woche, vierter Tag (4.3.)
Gestern Abend habe ich das zweite Testresultat bekommen: Auch negativ, das ist gut! In dieser ersten Woche haben sich laut Ratspräsident Res Aebi insgesamt 617 Personen testen lassen (also Parlamentarier*innen, Mitarbeiter*innen Parlamentsdienste und Journalist*innen), davon war nur eine Probe positiv. Die SVP lässt sich mehrheitlich nicht testen, no comment…
Der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise» steht ein weiteres Mal auf der Traktandenliste. Seit Jahren setzt sich die SP für ein wirksames Kartellgesetz und die Zulassung von Parallelimporten ein, um die Hochpreisinsel Schweiz zu bekämpfen. Wir unterstützen daher sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag, da faire Preise für Konsument*innen den einkommensschwachen Personen helfen, den Einkaufstourismus und die Umweltbelastung reduzieren und Arbeitsplätze in der Schweiz sichern. Der Nationalrat will den Gegenvorschlag nicht weiter schwächen und folgt dem Ständerat nicht. Die Vorlage geht darum zurück in die kleine Kammer.
Apropos Ständerat: Dieser berät an diesem Morgen das Covid-19-Gesetz. Die Haltung zu unüberlegten Öffnungsschritten ist im „chambre de réfléxion“ aber eine andere als im Nationalrat. Wir werden das Covid-19-Gesetz am Montag in einer voraussichtlich neunstündigen Monsterdebatte beraten.
Aber zuerst geht es jetzt erst mal nach Hause. Freue mich sehr, wieder bei meiner Familie zu sein.
Erste Woche, dritter Tag (3.3.)
Das am meisten für Aufsehen erregende Traktandum steht gleich zu Beginn des Sitzungstages auf der Traktandenliste. Es geht um eine Erklärung aus der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), die eine umgehende Lockerung aller Corona-Massnahmen verlangt. Eine absolut verantwortungslose und unvernünftige Forderung, schlicht reiner Populismus. Die vom Bundesrat vorgegebene vorsichtige Öffnungsstrategie mit Bedacht macht Sinn, denn man hat die Möglichkeit zu reagieren, falls die epidemiologische Lage dies erfordert. Leider sieht das die Mehrheit des Nationalrates nicht so, der Erklärung wird mit 97:90 Stimmen bei 6 Enthaltungen knapp zugestimmt. Diese Erklärung ist für den Bundesrat nicht verbindlich. Entscheidend sind die Beschlüsse im Covid-19-Gesetz, was wir am Montag in einer Open-End-Sitzung beraten werden.
Dann geht es wieder einmal um die Transparenz-Initiative. Dem Gegenvorschlag aus der Staatspoltischen Kommission (SPK) wird mit Stimmen 113:78 erfreulicherweise zugestimmt. Er geht zwar weniger weit wie die Initiative, ist aber immer noch griffig.
Am Nachmittag gibt es wiederum Erfreuliches:Die Motion «Verbesserung der Datenlage bezüglich Auswirkungen auf die Geschlechter» von Eva Herzog, welche im Ständerat eine Mehrheit bekommen hat, wird auch im Nationalrat angenommen. Es ist heute nämlich wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen bei Krankheiten zum Teil andere Symptome wie Männer zeigen und auch anders auf Medikamente reagieren können.
Gegen Sitzungsschluss haben wir noch hohen Besuch von Vjosa Osmani-Sadriu, Präsidentin des Kosovos. Die Parlamentarische Gruppe Schweiz-Kosovo, der ich auch angehöre, kann sich kurz mit ihr treffen. Der Austausch ist sehr interessant und lebhaft.
Erste Woche, zweiter Tag (2.3.)
Der heutige Morgen steht ganz im Zeichen der Medienpolitik. Es geht um ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien. Heute gibt der Bund für die Printmedien über die indirekte Presseförderung 30 Mio. Franken aus. In seiner Botschaft hat der Bundesrat eine Erhöhung um 50 Mio. vorgeschlagen (+20 Mio. für Printmedien, +30 Mio. neu für Onlinemedien) sowie 2% aus der Radio- und Fernsehabgabe für die Förderung aller elektronischen Medien. Der Ständerat hat den bundesrätlichen Vorschlag akzeptiert und zusätzlich 40 Mio. für die Früh- und Sonntagszustellung und zusätzlich 10 Mio. für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse ausgesprochen. Hauchdünn wird diesen zusätzlichen 10 Mio. zugestimmt, mit 97:96 Stimmen. Und dies auch erst nach einer Wiederholung der Abstimmung. Der beschlossene Verteilschlüssel ist übrigens degressiv gestaltet. Je grösser die Auflage, desto kleiner der staatliche Zuschuss. Ein wichtiger Punkt im Gesetz ist auch die Online-Medienförderung. Der Ständerat hat den 30 Millionen für Online-Medien zwar knapp zugestimmt, aber anschliessend merkwürdigerweise die Ausgabenbremse nicht gelöst. Dies passiert im Nationalrat nicht, die Ausgabenbremse wird gelöst. Der Gesamtvorlage wird zum Schluss mit 111:67 Stimmen bei 17 Enthaltungen zugestimmt und geht zurück in den Ständerat. Weiter kommen wir heute Morgen nicht, obwohl noch einige Geschäfte mehr auf der Traktandenliste stehen.
Die Mittagszeit nutze ich für diverse Geburtstagsgeschenk-Einkäufe, die Läden sind ja seit gestern wieder geöffnet ;-). Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag gehe ich zurück in meine Wohnung, weil ich noch GL-Sitzung der SP Kanton Zürich habe. Da diese online stattfindet, kann ich auch von Bern aus daran teilnehmen. Das ist praktisch.
Frühlingssession (1.-19. März), erste Woche, erster Tag
Der Frühling hat Einzug gehalten, es ist bereits sehr mild. Die Frühlingssession verdient für einmal ihren Namen, das ist wunderbar!
Politisch ist die Situation allerdings weniger freundlich. Das Coronavirus hat uns nach wie vor im Griff. Die SVP macht negative Stimmung mit völlig unrealistischen Öffnungsforderungen und absurden Diktaturvorwürfen gegenüber dem Bundesrat. Wieder einmal betätigt sich diese Partei als Brandstifterin, die im Falle einer Eskalation natürlich jegliche Verantwortung von sich weisen würde.
Die Session steht auch dieses Mal einmal mehr unter dem Einfluss von Corona. Das Covid-19-Gesetz wird uns während der ganzen Session begleiten. Der vom Bundesrat eingeschlagene Kurs der schrittweisen, wissenschaftlich abgestützten Öffnung ist richtig. Jetzt geht es darum, im Covid-19-Gesetz endlich Lösungen zu finden, damit alle Betroffenen ausreichend finanzielle Unterstützungsleistungen bekommen. Zu schnelle Öffnungen sind verantwortungslos, auch wenn wir alle nur zu gerne wieder einmal ins Restaurant gehen würden. Es braucht noch etwas Geduld, die Impfung wird uns in die Hand spielen.
Eine neue Sicherheitsmassnahme wurde in dieser Session eingeführt: Wir sollen uns während der Session zwei Mal pro Woche testen lassen. Diese Testungen sind freiwillig, aber ich mache selbstverständlich mit, das ist sinnvoll. Innerhalb 4 1/2 Stunden bekomme ich das Testresultat: negativ, zum Glück!
An meinem Platz im Ratssaal vermisse ich meinen Sitznachbar Angelo sehr. Es ist bereits die zweite Session, die Angelo wegen seiner Krebserkrankung nicht mitmachen kann. Denke ganz fest an ihn, er schafft das!
An diesem ersten Nachmittag wird ein weiteres Mal das Geldwäschereigesetz beraten. In der letzten Wintersession war niemand wirklich mit dem Gesetz zufrieden, es wurde darum an die Kommission zurückgewiesen. Aber auch dieser zweite Versuch vermag die Ratslinke nicht zu überzeugen. Die Sorgfalts- und Meldepflicht bei Verdachtsfällen wird nicht weiter verschärft, sondern sogar aufgeweicht. Falls dies bis zur Schlussabstimmung so bleibt, wird die SP das Referendum ergreifen.