Bundeshaus-Blog
Dritte Woche, vierter Tag (16.3.)
Heute Morgen bin ich doch spürbar müder als ich das zu Sessionsbeginn war. Die dritte Woche hängt jeweils immer an. Im Rat stehen heute Morgen Geschäfte aus dem VBS an. Wir beginnen mit einer Änderung des Informationssicherheitsgesetzes. Endlich wird nun die Meldepflicht für kritische Infrastrukturen bei Cyberangriffen gesetzlich verankert. Die SP hat das schon seit Jahren in mehreren Vorstössen gefordert. Der Vorlage wird denn auch deutlich zugestimmt, nur die SVP ist – einmal mehr – dagegen.
Aber es geht heute auch mal um Sport. Der Nationalrat bewilligt insgesamt 28, 65 Mio. für die Jahre 2025-29 für internationale Gross-Sportanlässe wie zum Beispiel die Eishockey-WM der Männer oder die Ski-Alpin WM in Crans-Montana, aber auch für wiederkehrende Grossanlässe.
Und wie üblich bei Sessionsende wird natürlich auch gefestet: Die Grünen offerieren einen Apéro anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens. Da schauen wir natürlich gerne vorbei. Unser Fraktionsessen haben wir dann aber nicht im Bundeshaus, sondern im «Lokal» im Breitenrain-Quartier bei aufgeräumter Stimmung.
Dritte Woche, dritter Tag (15.3.)
Nach den Richterwahlen, die immer am Mittwochmorgen in der letzten Sessionswoche stattfinden, geht es weiter mit dem Mantelerlass. Es gibt einige Minderheitsanträge, die das Neubauverbot für AKW aus dem Kernenergiegesetz streichen und neue AKW vereinfacht bewilligen wollen. Doch daraus wird zum Glück nichts, eine grosse Mehrheit des Nationalrates sieht dies anders. Kurz vor Mittag sind wir fertig mit der Debatte. Die Vorlage wurde insgesamt leider verschlechtert. Die Annahme des Antrags Paganini, welcher die Restwasser-Bestimmungen bei Wasserkraftwerken sistieren will, ist ein Rückenschuss gegen den Gewässerschutz. In der Schlussabstimmung stimmen wir dem Geschäft aber trotzdem zu. Es ist wichtig, dass die Vorlage zurück in den Ständerat kann und die Beratungen weiter gehen. Wir brauchen dieses Gesetz dringend. Das sieht auch die Mehrheit so, der Vorlage wird darum mit 104:54 bei 33 Enthaltungen (vorwiegend von den Grünen) zugestimmt.
Nach der Mittagspause wird mit dem Antrag der Einigungskonferenz zur BVG-Revision gestartet. Das Resultat ist leider sehr enttäuschend. Für die meisten Leute bedeutet das: mehr einzahlen, weniger Rente erhalten. Wir lehnen den Vorschlag der Einigungskonferenz darum gemeinsam mit den Grünen ab. Insgesamt gibt es 24 Enthaltungen, vor allem von den Bauern.
Am Nachmittag besucht mich meine Sektion, also die SP Kloten. Das freut mich natürlich sehr! Es ist irgendwie eigenartig, die Menschen, die ich gut kenne und mit denen ich normalerweise in Kloten unterwegs bin, plötzlich hier im Bundeshaus zu sehen.
Nach Sitzungsschluss findet endlich wieder mein absoluter Lieblingsanlass statt: Prêt-à-politiser! Das ist ein Netzwerk-Anlass mit Frauen aus Politik, Journalismus und Wirtschaft mit ganz viel Mode von Schweizer Designerinnen.
Dritte Woche, zweiter Tag (14.3.)
Bevor die Beratungen zum Mantelerlass fortgesetzt werden, stehen noch aussenpolitische Geschäfte auf der Traktandenliste. Der aussenpolitische Bericht ist normalerweise nicht das «Strassenfeger»-Traktandum. Nach der irritierenden Aussage von BR Alain Berset in der NZZ am Sonntag, in welchem er bezüglich möglicher Weitergaben von Waffen in die Ukraine gewisse Kreise als «im Kriegsrausch» bezeichnete, gibt es aber doch einige Wortmeldungen dazu. Denn das ist genau das Problem des Bundesrates. Man versteckt sich weiter hinter der Neutralität. Zudem ist es grotesk anzunehmen, dass man zurzeit mit Russland verhandeln könnte.
Nachdem wir gestern leider erfolgreich den Gewässerschutz geschwächt haben, geht es heute beim Mantelerlass um die Solarpflicht auf Gebäuden, auf Parkplätzen und Parkhäusern. Die Kommissionsmehrheit möchte die Solarpflicht nicht nur bei allen Neu- und erheblichen Umbauten, sondern auch bei bereits bestehenden Gebäuden (aber ohne Wohngebäude!) festschreiben. BR Albert Rösti warnt dafür, dass damit die Vorlage zu weit gehen würde und vom Volk darum abgelehnt würde. Ein Kompromissantrag von Jacqueline der Quattro, welcher die Bestandesbauten wieder ausschliesst, erhält schliesslich mit 103:87 Stimmen eine Mehrheit. Da am Nachmittag wie immer am Dienstag die Fraktionssitzungen stattfinden, werden die Beratungen morgen fortgesetzt.
Am Abend findet der traditionelle Austausch der Zürcher:innen statt. Die Regierungen des Kantons und der Städte Zürich und Winterthur kommen uns einmal im Jahr in Bern besuchen. Ziel ist, dass die beiden Städte und der Kanton ihre Anliegen betreffend Bundespolitik direkt bei uns einbringen können.
Dritte Woche, erster Tag (13.3.)
Das Wochenende war sehr erholsam, aber durchaus auch angeregt: Am Samstagabend war ich mit meiner Familie zur Polit-Comedy-Show «Alles wird gut» von Michael Elsener im Theater Hechtplatz eingeladen. Hat mir sehr gut gefallen. Elsener war stets witzig, pointiert und klug.
Wieder zurück in Bern starten wir heute mit einem weiteren gewichtigen Geschäft in dieser Session: mit dem sogenannten Mantelerlass. Es sind für die Beratungen 13 bis 16 Stunden eingeplant, es gibt 61 Minderheitsanträge und 19 Einzelanträge. Der Ausbau der einheimischen erneuerbaren Energien sowie die Versorgungssicherheit der Schweiz soll gestärkt werden, insbesondere auch für den Winter. Um die Ziele der Energiestrategie 2050 und der langfristigen Klimastrategie der Schweiz zu erreichen, braucht es eine umfassende Elektrifizierung im Verkehr- und Wärmesektor. Dazu muss die inländische Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien rasch und konsequent ausgebaut werden. Die Revision schafft den gesetzlichen Rahmen, damit die Planungssicherheit gewährt wird und damit Investitionsanreize zum Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und deren Integration in den Markt vorangetrieben werden. Es beginnt leider nicht gut: Dem Minderheitsantrag Paganini, der bis 2030 eine Sistierung der Restwassermengenbestimmung verlangt, wird mit nur einer Stimme mehr zugestimmt. Wir werden natürlich nicht fertig heute Abend mit den Beratungen, sie werden morgen fortgesetzt.
Zweite Woche, vierter Tag (9.3.)
Bereits gestern wurde mit der Beratung des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft begonnen, heute wird die Debatte fortgesetzt. Die Agrarpolitik 22+ ist leider ein Minipaket. Nachhaltigkeits-, Tierschutz- und andere Umweltmassnahmen wurden alle herausgestrichen. Konkrete Massnahmen, wie die Klimaziele 2030 zu erreichen sind, fehlen. Der Bundesrat hat gewisse ökologische Verbesserungen als Voraussetzung für Direktzahlungen einführen wollen, doch diese wurden vom Ständerat gestrichen. Auch bezüglich Tierwohl und Tiergesundheit werden keine Fortschritte angestrebt, obwohl zur Verminderung des Antibiotikaeinsatzes Handlungsbedarf besteht. Für die SP ist besonders störend, dass die Direktzahlungen pro Betrieb und Produktionsart nicht begrenzt werden im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft. Die Problematik des Hofsterbens und der schwindenden Strukturvielfalt wird weder in der AP22+ noch in der Vision zur Land- und Ernährungswirtschaft thematisiert. Dank der Bauernlobby wird der Vorlage mit 129:1 Stimmen zugestimmt. Die SP enthält sich. Insgesamt gibt es 65 Enthaltungen (!).
Und dann geht es wieder einmal um unsere Beziehungen zur EU: Die Aussenpolitische Kommission möchte in ihrer Motion den Bundesrat beauftragen, unverzüglich Verhandlungen mit der EU über einheitliche institutionelle Regeln für die bestehenden und zukünftigen Abkommen zur Teilnahme der Schweiz am EU-Binnenmarkt aufzunehmen. Roger Köppel beglückt uns wieder mit einem seiner clownesken Auftritte, man kann ihn wirklich nicht mehr ernst nehmen. Leider wird die Motion knapp abgelehnt, mit 90:98 Stimmen bei 8 Enthaltungen.
Eine weitere Motion aus der APK sorgt ebenfalls für Beachtung: Der Bundesrat soll die iranische Zivilgesellschaft in ihrem Kampf für Frauen- und Menschenrechte unterstützen und die EU-Massnahmen gegen den Iran übernehmen. Hier ist das Ergebnis zum Glück positiv: Mit 105:65 Stimmen bei 4 Enthaltungen wird die Motion überwiesen, gegen den Willen des Bundesrates.
Nach der Abstimmung ist Sitzungsschluss und es geht wieder nach Hause.
Zweite Woche, dritter Tag (8.3.)
Der heutige Morgen ist UVEK-Themen gewidmet. Es wird zum Beispiel ein dringliches Gesetz verabschiedet zur Beschleunigung von fortgeschrittenen Windparkprojekten. Neu soll die Baubewilligung für Windenergieprojekte im nationalen Interesse, die über eine rechtskräftige Nutzungsplanung verfügen, vom Kanton erteilt werden können. Zudem soll der Instanzenzug für Beschwerden gegen diese Baubewilligung gestrafft werden. Dieses beschleunigte Verfahren soll gelten, bis die zusätzlich realisierten Windenergieanlagen eine Jahresproduktion von 600 MW Elektrizität liefern. Ein grosser Teil dieser Produktion wird im Winter anfallen, womit diese Anlagen einen wichtigen Beitrag zur Deckung der Winterstromlücke leisten werden.
Am Nachmittag geht es dann endlich um die Motion der SiK-N, welche indirekte Waffenlieferungen in die Ukraine ermöglichen möchte. Ich bin Kommissionssprecherin, weil die SP den Vorschlag eingebracht hat und wir ausnahmsweise mal in der Mehrheit waren in der Kommission. Auch die neutrale Schweiz steht rechtlich, politisch und moralisch in der Pflicht, die Ukraine zu unterstützen. In ihrer ursprünglichen Form hätte die Motion eine auf dem Völkerrecht basierende, eng gefasste Ausnahme für die Ukraine dargestellt. Konkret hätte die SiK-N-Motion gefordert, den Re-Export von ehemals Schweizer Kriegsmaterial aus Ländern wie Deutschland, Dänemark oder Spanien zu erlauben, sofern der UNO-Sicherheitsrat oder eine Zweidrittelmehrheit der UNO-Generalversammlung die Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots feststellt – wie dies beim Angriff Russlands auf die Ukraine der Fall war. Leider fällt wegen einer Kehrtwende der FDP das Kriterium der UNO-Generalversammlung weg, was dazu führt, dass die Motion der Ukraine nun nicht helfen wird. Immerhin wird sie aber überwiesen und verleiht hoffentlich einer Parlamentarischen Initiative, die sich noch in der Pipeline befindet und fast den gleichen Wortlaut hat, Schub.
Zweite Woche, zweiter Tag (7.3.)
Heute Morgen geht es im Nationalrat ums Mietrecht. Es ist leider immer noch so, dass sich das Parlament nicht gerade mieter:innen-freundlich verhält. Es soll nun zum Beispiel einfacher werden, den Mieter:innen wegen Eigenbedarf zu kündigen. In Zukunft sollen die Vermieter:innen schneller auf diese Objekte zugreifen können. Einer entsprechenden Parlamentarischen Initiative wird mit 114:79 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt, obwohl sogar der Bundesrat sie zur Ablehnung empfiehlt. Eine zweite Vorlage fordert ausserdem schärfere Regeln gegen Missbräuche bei der Untervermietung von Räumlichkeiten. Neu müssen die Vermieter:innen der Untervermietung explizit schriftlich zustimmen. Beide Vorlagen gehen jetzt in den Ständerat.
Am Nachmittag findet die Fraktionssitzung statt, danach ist für mich noch nicht Schluss. Ich muss/darf zusammen mit Gerhard Andrey von den Grünen ins Radiostudio in die Sendung «Politikum»:https://www.srf.ch/audio/politikum/waffenwiederausfuhr-schweizer-waffen-fuer-die-ukraine?id=12347260
Es geht um eine Motion der SiK-N, die morgen im Nationalrat diskutiert wird. Die Motion geht auf einen Vorschlag der SP zurück, welcher eine knappe Mehrheit in der Kommission erhielt. Wir möchten in einem sehr eng gesteckten Rahmen, basierend auf dem Völkerrecht, die Nichtwiederausfuhr-Erklärung beim Kriegsmaterial aufheben. Doch mehr dazu morgen ;-).
Zweite Woche, erster Tag (6.3.)
Obwohl ich am Samstag den ganzen Tag Retraite hatte mit der SP Kanton Zürich (denn nach den Wahlen ist vor den Wahlen ;-)), war das Wochenende doch erholsam. Es freut mich auch sehr, dass trotz der noch tiefen Temperaturen der Frühling langsam spürbar wird.
Heute komme ich sozusagen auf den letzten Drücker nach Bern, trudle erst während der Fragestunde im Bundeshaus ein. So ist es möglich, meinen jüngsten Sohn nochmals zu sehen und sogar noch zusammen Zmittag essen zu können.
Im Rat geht es heute wieder einmal um die Armee. Dieses Mal handelt es sich aber um ein eher unbestrittenes Geschäft: Es geht um den Assistenzdienst der Armee zur Unterstützung des SEM im Asylbereich. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat die Zahl der Flüchtenden zugenommen. Armeeangehörige sollen darum bei der Einrichtung, Verwaltung und dem Betrieb der dem SEM zu Verfügung gestellten militärischen Infrastrukturen helfen. Nur die SVP ist gegen das Geschäft, die Vorlage wird mit 132:52 Stimmen klar angenommen.
Wenig Erfreuliches kommt aus dem Ständerat: Leider überraschend deutlich stimmt die kleine Kammer mit 31:9 Stimmen einer SVP-Motion zu, welche die Zulassungen zum Zivildienst verschärfen möchte. Es handelt sich dabei beinahe wortwörtlich um dieselben schikanösen Massnahmen wie in der Zivildienstgesetz-Revision, welche im Nationalrat im Juni 2020 noch abgelehnt wurde. Nachdem nun auch der Ständerat die Motion überweisen hat, muss der Bundesrat eine Vorlage ausarbeiten. To be continued…
Erste Woche, vierter Tag (2.3.)
Heute stehen für einmal bildungspolitische Themen auf der Traktandenliste. Und sie erinnern mich stark an den Zürcher Wahlkampf, denn auch hier in Bern geht es um die Bekämpfung des akuten Lehrpersonenmangels. Zuerst wird eine Motion der Bildungskommission beraten, die eine prüfungsfreie Zulassung für Berufsmaturand:innen zur Primarlehrerausbildung an die PH verlangt. Die Lehrpersonen- und weiteren Fachpersonenverbände sind klar gegen die Motion. Ich kann ihre Kritik und bedenken nachvollziehen. Die Motion stellt nicht das richtige Mittel dar, um dem aktuellen Lehrpersonenmangel entgegenzuwirken. Denn die Anmeldezahlen für die PH entwickeln sich positiv. Die Probleme sind nicht beim Eintritt in die PH zu suchen, sondern eher bei der Berufsverweildauer, also bei den Arbeitsbedingungen und der Zufriedenheit im Beruf. Da müssen Verbesserungsmassnahmen zwingend ansetzen. Der Rat sieht das aber anders, die Motion wird mit 122:41 Stimmen bei 23 Enthaltungen angenommen. Sie muss jetzt in den Ständerat.
Beim zweiten Bildungsvorstoss geht es um eine gezielte Datenerhebung als Massnahme gegen den Lehrpersonenmangel. Diese fehlt nämlich in sämtlichen Kantonen. Aber ohne das Wissen, warum denn Lehrpersonen ihren Job an den Nagel hängen oder was sie genau in ihrem Beruf hält, lassen sich schlecht die geeigneten Massnahmen gegen den Lehrpersonenmangel finden. Dem entsprechenden Postulat, das diese Datenerhebung in den Kantonen fordert, wird mit 116:56 Stimmen bei 6 Enthaltungen zugestimmt.
Danach ist bereits wieder „Sessions-Wochenende“ und ich fahre nach Hause zu meiner Familie zurück.
Erste Woche, dritter Tag (1.3.)
Heute hat Albert Rösti seine Premiere als Bundesrat im Nationalrat. Es geht zum letzten Mal um die Gletscher-Initiative. Der indirekte Gegenvorschlag kommt ja am 18. Juni vors Volk, nachdem die SVP das Referendum ergriffen hat. Heute geht es noch um die Abstimmungsempfehlung für die Initiative, diese fällt mit 87:107 Stimmen leider negativ aus. Wichtig ist jetzt aber die Abstimmung im Juni, der indirekte Gegenvorschlag ist wirklich gut.
Dann kommt ein echter Tiefschlag: Der Nationalrat tritt mit 97:92 Stimmen gar nicht erst auf eine Vorlage ein, welche bei den AHV-Renten den vollen Teuerungsausgleich gewährt hätte - eine Schande. Das Geschäft geht nun in den Ständerat, habe aber wenig Hoffnung, dass dieser das anders sieht.
Nachher geht es ebenfalls um eine äusserst wichtige Vorlage: um die Kinderbetreuung. Wer für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsteht und wer die Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter und so auch die Integration fördern will, muss für eine zeitgemässe Lösung einstehen, an welcher sich auch der Bund beteiligt. Am Anfang dieses Gesetz stand vor gut vier Jahren eine Allianz mit Parlamentarier:innen aller Parteien, dem Arbeitgeberverband und den Kantonen (EDK und SODK). In der WBK wurde anschliessend ein Gesetz ausgearbeitet und in die Vernehmlassung geschickt. Bisher war die Mitfinanzierung des Bundes bei der Schaffung von Betreuungsplätzen und zur Senkung der Betreuungskosten befristet und musste alle vier Jahre vom Parlament erneuert werden. Zusammengefasst soll das neue Gesetz die Eltern zum einen für die institutionelle Kinderbetreuung finanziell entlasten – hierfür schätzt die Kommission die Kosten auf jährlich 710 Millionen –, zum anderen sollen die Kantone in ihrer Weiterentwicklung einer Politik der frühen Förderung jährlich mit 60 Millionen unterstützt werden. Der Nationalrat stimmt der Vorlage zu, das grenzt schon beinahe an eine Sensation! Lediglich im Geltungsbereich gibt es Abstriche: Statt bis Ende obligatorischer Schulzeit soll die Finanzierung nur bis Ende 6. Klasse gelten. Jetzt kommt es drauf an, wie weit der Ständerat die Vorlage zusammenkürzt…
Erste Woche, zweiter Tag (28.2.)
Das Hauptgeschäft heute Morgen ist klar die BVG-Reform. Diese ist grundsätzlich auch dringend nötig, denn die Renten in der zweiten Säule werden seit Jahren immer kleiner. Diese Reform hatte ursprünglich drei Ziele: Renten sichern, Finanzierung garantieren und die Renten von tiefen Einkommen verbessern. Der bundesrätliche Vorschlag und Sozialpartnerkompromiss hat diesen Zielen noch Rechnung getragen. Ganz im Gegensatz dazu aber die Vorschläge vom bürgerlich geprägten Nationalrat und Ständerat: Sie verfehlen die gemachten Versprechen bei weitem. Sie entlarven die Versprechen der Bürgerlichen gegenüber den Frauen, welche noch bei der AHV-Abstimmung letzten Jahres gemacht wurden, als leere Worte. Vor allem die Kompensationsmassnahmen bleiben weiterhin inakzeptabel. Es wird vor allem die Übergangsgeneration unter Rentenkürzungen von bis zu 12 Prozent leiden. Die SP wird das Referendum, welches der SGB bereits angekündigt hat, sicher unterstützen. Unklar ist, wie sich die Mehrheit in der Schlussabstimmung verhält und ob allenfalls bereits im Parlament eine Ablehnung der Vorlage erfolgt. Bin gespannt…
Zurück aus dem Ständerat ist unsere Prämien-Entlastungs-Initiative, bzw. der indirekte Gegenvorschlag. Der Ständerat wollte nicht einmal auf diesen Kompromiss eintreten, der Nationalrat hält aber am Gegenvorschlag fest. Auch weil man Angst hat, dass die Initiative ohne Gegenvorschlag beim Volk Erfolg haben könnte.
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag fahre ich zurück nach Zürich für die GL-Sitzung der SP Kanton. Ich finde es wichtig, dass wir nach den Wahlen wieder engagiert und intensiv mit dem Tagesgeschäft starten. Zum Glück kommen wir in der Sitzung zügig voran, und ich kann bereits um 20.30 Uhr wieder den Zug zurück nach Bern nehmen.
Frühlingssession 27.2.-17.3.2023, erste Woche, erster Tag (27.2.)
Erst vor zwei Wochen haben die Zürcher Kantons- und Regierungsratswahlen stattgefunden. Leider hat es nicht geklappt mit dem Regierungsrat, das «Bollwerk der sieben Bisherigen» war nicht einzunehmen. Das enttäuschte mich natürlich schon, das gute Abschneiden der SP war dann aber doch sehr tröstend: Trotz negativen Prognosen schafften wir einen Sitzgewinn! Nach einer Woche Skiferien mit meiner Familie habe ich nun auch wieder den Kopf frei, mich mit ganzem Engagement auf die nationale Politik zu konzentrieren.
Wichtige Themen in dieser Frühlingssession sind die BVG-Reform, aber auch das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sowie eine grössere Finanzierung des Bundes bei den Kita-Plätzen.
Die Session startet mit einer Schweigeminute für die Opfer des Ukraine-Krieges, der jetzt leider schon ein Jahr andauert. Aber auch den O
pfern des schrecklichen Erdbebens in der Türkei und Syrien wird gedacht.
Danach beginnt die Session mit dem «business as usual”. Der Nationalrat verfasst zum Beispiel mit 107:71 Stimmen eine Erklärung, die mehr Demokratie und die Einhaltung der Menschenrechte im Iran fordert. Zudem soll sich die Schweiz an den EU-Sanktionen beteiligen.
Dritte Woche, letzter Tag (16.12.)
Die Schlussabstimmungen heute Morgen bergen keine Überraschungen mehr. Darum sind wir auch wieder in Rekordzeit fertig: Bereits kurz vor 9 Uhr ist die diesjährige Wintersession vorbei.
Leider müssen wir uns heute auch von Mitte-Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel verabschieden. Sie ist die amtsälteste Nationalrätin und tritt nun zurück. Ich habe ihre Dossiersicherheit, Gewissenhaftigkeit und Freundlichkeit immer sehr geschätzt.
Jetzt freue ich mich aber auf schöne und erholsame Festtage mit meiner Familie ????. Kraft tanken ist angesagt, schliesslich sind bereits am 12. Februar 2023 die Kantons- und Regierungsratswahlen!
Dritte Woche, vierter Tag (15.12.)
Zu Beginn der heutigen Sitzung beraten wir eine Parlamentarische Initiative, die einen Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter fordert. Der Tod eines Elternteils unmittelbar nach der Geburt ist für die Familie und das Neugeborene ein schwerer Schicksalsschlag. Wenn die Mutter kurz nach der Geburt des Kindes stirbt, gibt es derzeit keinen spezifischen Urlaub zur Betreuung des Neugeborenen. Nach einem solchen Schicksalsschlag sind die Kinder aber besonders schutzbedürftig und das Interesse des Neugeborenen muss in dieser Situation Vorrang haben. Es ist daher unbestritten, dass Handlungsbedarf besteht. Zu diskutieren gibt nur die Länge des «Urlaubs». Die SP und Grünen wollen 16 Wochen, die Mehrheit des Rates spricht sich aber für 14 Wochen aus, immerhin.
Die Sitzung dauert nur bis 12 Uhr, danach geht es los zur Feier unserer neuen Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider in den Kanton Jura. Zuerst wird die Festgemeinde in Delémont empfangen, danach geht es nach Les Breuleux, wo Elisabeth wohnt. Es ist eine sehr schöne Feier zusammen mit der Bevölkerung, herzerwärmend und einfach très sympa!
Dritte Woche, dritter Tag (14.12.)
Heute beginnen wir mit den Beratungen der Volksinitiative „Für ein besseres Leben im Alter“, welche eine 13. AHV-Rente verlangt. Die Initiative wurde vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund lanciert und von der SP unterstützt. Gemäss einer Umfrage von Pro Senectute leben 200’000 Senior:innen mit ihrem Einkommen unter der Armutsgrenze leben. Das monatliche Einkommen von 100´000 weiteren älteren Menschen liegt zudem nur knapp über der Armutsgrenze. Und 46'000 Senior:innen sind sogar «ausweglos arm». Fast jede zehnte Person benötigt direkt nach der Pensionierung Ergänzungsleistungen, weil die Rente nicht zum Leben reicht, trotz Zusatz durch Renten aus den Pensionskassen. Der Grad der Betroffenheit ist zudem sehr ungleich verteilt: Frauen, Menschen ohne Schweizer Pass, Personen mit tiefem Bildungsstand und niedrigem Einkommen und somit weniger finanziellen Reserven weisen ein grösseres Risiko auf, nach der Pensionierung in Armut zu leben. Eine 13. AHV-Rente könnte hier Linderung verschaffen. Und ja, es stimmt, dass diese 13. Rente auch Millionär:innen bekommen würden, aber diese haben auch sehr viel in die AHV einbezahlt. Die AHV ist eben das solidarischste aller Sozialwerke. Zudem waren die Bürgerlichen nicht bereit, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, welcher der Giesskanne hätte entgegenwirken können. Da sich einige von der Redner:innenliste zurückziehen, werden wir heute doch fertig mit der Debatte zur Initiative. Wie erwartet wird sie leider abgelehnt, mit 123:67 Stimmen.
Dann kommt ein noch grösserer Hammer: Eine Motion aus dem Ständerat, welche kantonale Mindestlöhne aushebeln will, erhält auch im Nationalrat mit 95:93 Stimmen bei 4 Enthaltungen eine knappe Mehrheit. Damit werden Volksentscheide in den Kantonen Jura, Tessin, Neuenburg, Basel Stadt und und Genf rückgängig gemacht, die soziale Sicherheit der Arbeitenden im Tieflohnsegment geschwächt und die sozialpartnerschaftliche Kooperation gefährdet. Katastrophe… Dafür spricht sich der Nationalrat gleich danach für die Schaffung einer Task-Force für die Sperrung von russischen und belorussischen Oligarchengelder aus. Das ist erfreulich.
Nach Sitzungsschluss verabschiedet die Fraktion SP-Urgestein Paul Rechsteiner. Nach 36 Jahren in Bern tritt Paul zurück, er wird uns fehlen!