Bundeshaus-Blog
Zweite Woche, zweiter Tag (8.12.)
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Der Morgen startet heute zuerst mit einer etwas technischen Materie: Es geht um die systematische Verwendung der AHV-Nummer als Personenidentifikator. Verwaltungsabläufe sollen durch eine breitere, kontrollierte Verwendung der AHV-Nummer effizienter machen. Nach anfänglichen Bedenken betreffend Datenschutz kann die SP-Fraktion der Vorlage zustimmen. Strikte Regelungen stellen sicher, dass der Datenschutz und die Informationssicherheit gewährleistet sind. Ausser den Grünen stimmt keine Fraktion gegen das Gesetz. Einen berührenden Moment hat das Geschäft trotz der nüchternen Materie: Angelo wäre dafür verantwortlich gewesen und hätte auch seine Minderheitsanträge dazu begründet. Jetzt muss er halt über den Livestream verfolgen, wie gut ihn seine Kolleg*innen vertreten. Es ist seltsam, wenn die ganze Zeit sein Name fällt, er aber nicht da ist.
Dann werden die Beratungen zum Tabakproduktegesetz fortgesetzt. Wir werden heute sogar fertig. Unsere Bestrebungen für einen noch stärkeren Jugendschutz und ein umfassendes Werbeverbot erhalten keine Mehrheit. Der Vorlage wird am Schluss mit 84:59 Stimmen bei 47 Enthaltungen zugestimmt. Leider erfüllen wir mit diesem eher laschen Gesetz das Rahmenübereinkommen der WHO nicht. Das Geschäft geht nun zurück in den Ständerat.
Zweite Woche, erster Tag (7.12.)
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Ende letzter Woche musste mein bester Freund und NR-Kollege Angelo Barrile eine traurige Mitteilung machen: Er ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt und muss unmittelbar mit der Behandlung beginnen. Seine Heilungschancen sind zum Glück intakt, aber ein Spaziergang wird es nicht. Ich wünsche Angelo alle Kraft und Zuversicht dieser Welt und hoffe ganz fest, dass er bald wieder gesund neben mir im Nationalrat sitzen kann!
Auch wenn ich mich ohne Angelo irgendwie gar nicht vollständig fühle, geht der Politbetrieb in Bern natürlich auch diese Woche wieder den gewohnten Gang. Heute ist sogar ein SiK-Geschäft auf der Traktandenliste: Es geht um die Weiterentwicklung des Schengen Informationssystems (SIS). Weil in der Herbstsession sämtliche Anträge der SP, die eine Verbesserung des Datenschutzes forderten, abgelehnt wurden, hat sich die SP-Fraktion bei der Gesamtabstimmung geschlossen enthalten. Das Geschäft wurde in den Ständerat zurückgeschickt, der dann erfreulicherweise die nötigen Verbesserungen beim Datenschutz vornahm. Unter diesen Umständen können wir nun der SIS-Vorlage zustimmen, nur die Grünen lehnen sie noch ab.
Der grosse Brocken heute ist das Tabakproduktegesetz. Die Schweiz hat des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) 2004 unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Das Rahmenabkommen enthält zur weltweiten Bekämpfung von Krankheiten und Todesfällen im Zusammenhang mit dem Tabakkonsum u. a. ein umfassendes Verbot von Tabakwerbung, Förderung des Tabakverkaufs und des Tabaksponsorings. Damit die Schweiz das Rahmenübereinkommen ratifizieren kann, hat der Bundesrat 2015 das Tabakproduktegesetz vorgelegt. Eine Mehrheit des Parlaments hat 2016 das Gesetz jedoch zurückgewiesen. Diese nun vorliegende zweite Vorlage untersagt landesweit den Verkauf von Tabakwaren an unter 18-Jährige. Weitere Neuerungen betreffen die Regelung der E-Zigaretten, der Tabakprodukte zum Erhitzen sowie der Tabakprodukte zum oralen Gebrauch (Snus). Jedoch erfüllen sowohl die Version des Bundesrates wie auch die leicht verbesserte Version Ständerat die Anforderungen des FCTC nicht. Das Gesetz von 2015 wäre das richtige gewesen. Wir werden heue nicht fertig mit den Beratungen, es sind noch drei weitere Zeitpunkte dafür in dieser Session vorgesehen.
Erste Woche, vierter Tag (3.12.)
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Die Budgetdebatte wird heute fortgeführt. Und es ist sogar ein Erfolg zu verzeichnen: Das europäische Student*innen-Austauschprogramm Erasmus erhält nun namhaft mehr Geld als vom Bundesrat vorgesehen. Das ist für den Bildungsstandort Schweiz absolut essentiell. Dem Gesamtbudget wird schliesslich nach 9 Stunden Beratung klar zugestimmt und geht jetzt in den Ständerat.
Am meisten zu reden gibt aber eine Erklärung der bürgerlichen Parteien, welche dem Bundesrat vorgreifen will. Bevor es der Bundesrat überhaupt erst offiziell kommuniziert hat, wollen die Bürgerlichen keine schärferen Covid-Vorschriften für die Skigebiete. Wir sind notabene das einzige Land in Europa, das die Skigebiete mit allem drum und dran über Weihnachten und Neujahr offen lässt… Abgesehen davon, dass es aus gesundheitlicher Sicht verantwortungslos ist, die dafür strengeren und dringend nötigen Massnahmen abzulehnen, würde es auch langfristig den Skigebieten gar nichts nützen, da wir so noch lange der Corona-Hotspot in Europa bleiben würden und die Touristen darum nicht kommen möchten. Ich gehe aber sehr davon aus, dass der Bundesrat morgen bei seinem Ansinnen bleibt.
Damit ist die erste Woche der Wintersession bereits wieder vorbei und es geht nach Hause zu meiner Familie!
Erste Woche, dritter Tag (2.12.)
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Heute beginnen wir mit den Beratungen zum Voranschlag 2021, der natürlich Covid-geprägt ist und darum ein Defizit von 4,2 Mrd. beinhaltet. Anträge von unserer Seite, mehr Hilfeleistungen auszuzahlen, haben keine Chance, Kürzungsanträge von Seiten SVP aber auch nicht. Am Mittag werden die Beratungen unterbrochen, sie werden morgen fortgesetzt.
Nach der Mittagspause geht es um die Armee, konkret um einen weiteren Assistenzdienst wie auch schon in der ersten Welle. Die Vorlage ist praktisch unbestritten, die Armee kann nun bis zu 2500 Ada für Spitaleinsätze abordnen, die Massnahme ist bis Ende März 2021 gültig. Dieses Mal werden die Gesuche der Kantone aber genauer geprüft und das Subsidiaritätsprinzip soll klar eingehalten werden.
Nachher wird die Parlamentarische Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» beraten, die einen Absenkpfad beim Pestizid-Einsatz fordert. Die Belastungen unserer Gewässer und des Trinkwassers nehmen stetig zu. 1 Mio. Menschen trinken heute in der Schweiz Pestizid-belastetes Trinkwasser, dies wegen einer allzu extensiven Landwirtschaft. Die Wasserversorgungen schlagen Alarm, weil sie kein sauberes Trinkwasser mehr liefern können. Zudem gibt es zum Thema auch zwei Volksinitiativen, die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative, über die nächstes Jahr abgestimmt wird. Alle Anstrengungen sollen nun unter einem Dach vereint werden, es gibt darum einen indirekten Gegenvorschlag zur PaIv. Das Geschäft kann heute nicht fertig beraten werden und wird darum in einer Woche fortgesetzt.
Erste Woche, zweiter Tag (1.12.)
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Der Wetterbericht hat es zwar vorausgesagt. Trotzdem ist es eine freudige Überraschung heute Morgen: Es hat geschneit über Nacht, pünktlich auf den 1. Dezember!
Die Sitzung beginnt mit der Verabschiedung eines Übergangsvoranschlags, damit im Falle eines Sessionsabbruchs wegen Corona im nächsten Jahr nicht mit einem Notbudget gestartet werden muss.
Für den Rest der Sitzung steht das Covid-19-Gesetz im Vordergrund, das in der Herbstsession verabschiedet wurde. Aufgrund der Dynamik der Pandemie - wir sind ja bekanntlich voll in der zweiten Welle – muss es nachgebessert werden. Es geht um Unterstützungsleistungen für zahlreiche Betriebe und Unternehmen, wie zum Beispiel um die Weiterführung der Kurzarbeitsentschädigung und die exakte Ausgestaltung der Härtefallregelung. Auch wenn wir in einigen Bereichen mehr wollten (zB 100% Entschädigung bei Löhnen unter 4000 Fr.), ist das ganze Gesetz als Erfolg zu werten, dank dem steten Druck der SP. Im Budget werden nun 4 Mrd. für Hilfe eingestellt, 2,2 Mrd. davon für die Entschädigung der Selbständigen. Der Vorlage wird sehr deutlich 179:12 zugestimmt und geht jetzt in den Ständerat.
BR Ueli Maurer muss den ganzen Morgen im Nationalrat präsent sein, und dies an seinem 70. Geburtstag. Dafür gibt es für ihn eine kleine Überraschung mit Ballonen und einem kleinem Geburtstagsständchen. Leider hielten sich dabei nicht alle Kolleg*innen an die Corona-Verhaltensregeln, gar nicht vorbildlich...
Erfreuliches kommt dann auch noch aus dem Ständerat: Die kleine Kammer sagt Ja zur Ehe für alle, die Störmanöver von rechts bezüglich angeblicher Verfassungswidrigkeit sind zum Glück nicht erfolgreich!
Wintersession 30.11.-18.12.2020, erste Woche, erster Tag (30.11.)
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Nach einem enttäuschenden Abstimmungswochenende (KoVI wegen Ständemehr gescheitert und Kriegsgeschäfteinitiative ebenfalls abgelehnt) beginnt heute die Wintersession. Auch diese steht ganz unter dem Zeichen von Corona. Üblicherweise ist die Wintersession immer etwas speziell. Es gibt zahlreiche Feierlichkeiten wegen der Wahl der neuen Ratspräsidien und des/r neuen Bundespräsidenten/in, zudem finden jeweils auch die traditionellen Weihnachtessen statt. Das fällt nun alles flach, wir haben dafür mehr Sitzungen - auch gut ;-). Immerhin ist das Bundeshaus festlich geschmückt.
Nach der Wahl von Andreas Aebi zum neuen Nationalratspräsident geht es wieder einmal mehr um die Geschäftsmieten. Im Vorfeld der gestrigen Abstimmung betonten die Bürgerlichen stets, wie wichtig ihnen die KMU seien. Heute steht mit dem Covid-Geschäftsmietegesetz der Lackmus-Test an. Um die Höhe des Teilmieterlasses ist in den letzten Monaten ein richtiger Basar entstanden, schliesslich einigte man sich bei 50:50. In der Schlussabstimmung wird das Gesetz mit 99:87 bei 7 Enthaltungen dennoch abgelehnt. So viel zur Hilfe für KMU nach bürgerlicher Art. Massenkonkurse, Arbeitslosigkeit und Klagewellen werden folgen. Oder in den Worten von Jacqueline Badran: «Das ist ein faktenfremdes, inkompetentes und gewerbefeindliches Trauerspiel».
Sondersession, zweiter Tag (30.10.)
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Heute morgen geht im sogenannten Solidarbürgschaftsgesetz um die Rückzahlungsmodalitäten für Kredite, welche der Bundesrat im Frühling in der ausserordentlichen Lage beschlossen hat. Von den gesprochenen 40 Mrd. Solidarbürgschaften wurden 18 Mrd. in Anspruch genommen, das Kreditprogramm wurde im Sommer beendet. Es ist völlig klar, dass weitere Kreditprogramme folgen müssen. Nur so können Unternehmen in der zweiten Welle und für die Zukunft unterstützt werden. Das Parlament schwenkt erfreulicherweise auf alle SP-Forderungen ein: Die Solidarbürgschaften werden von fünf auf acht Jahre verlängert, für die KMU gibt es Rechtssicherheit dank Nullzins auf die gesamte Laufzeit und es wird einem Verbot auf Dividenden während der ganzen Laufzeit zugestimmt. Das Gesetz wird einstimmig angenommen.
Am Nachmittag beschäftigt uns eine bereits 2015 vom ehemaligen SP-Ständerat Didier Berberat eingereichte Parlamentarische Initiative, welche eine Akkreditierung für Lobbyist*innen mit Zutritt ins Bundeshaus durch ein unabhängiges Organ fordert. Die Zutrittsberechtigungen sollen allenfalls zahlenmässig beschränkt werden. Die Lobbyist*innen müssten ihre Arbeitgeber*innen und ihre Mandate in einem öffentlichen Register offen legen. Leider war dieses Anliegen in der Kommission chancenlos. Grundsätzlich sind Lobbyist*innen im Bundeshaus im Parlament kein Problem - dazu gehören ja auch Umweltverbände und NGOs – aber es muss transparent sein. Nach fünf Jahren Kommissionsarbeit wird das Anliegen heute von den Bürgerlichen abgeschossen. Es gilt somit der Status quo, in Sachen Transparenz sind wir keinen Schritt weiter gekommen. Nicht gerade eine Meisterleistung des Parlaments…
Zum Schluss der Sondersession wird Ratspräsidentin Isabelle Moret verabschiedet. Sie hatte wahrhaftig keine einfache Präsidialzeit, Corona hatte so ziemlich alles im Griff. Immerhin verdient ihr Präsidium das Prädikat «historisch» ;-).
Sondersession, 29.- 30. Oktober 2020, erster Tag
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Seit der Herbstsession ist viel passiert. Bei der Kampfjet-Abstimmung vom 27. September haben wir zwar verloren, aber nur äusserst knapp. Ich bin klar der Meinung, dass man mit einem historischen Nein-Anteil von 49,9% nun nicht zur Tagesordnung übergehen kann und Kompromisse finden muss. Zum Glück wurde die Begrenzungs-Initiative deutlich abgelehnt.
Momentan ist aber wieder ein anderes Thema das vorherrschende: Corona. Die Fallzahlen sind in der Schweiz beunruhigend hoch, wir sind mitten in der gefürchteten zweiten Welle. Der Bundesrat hat gestern neue Massnahmen angeordnet. Kein Lockdown wie im Frühling, aber doch auch einschneidend. Das war leider auch dringend nötig. Ich befürchte sogar, die Massnahmen kommen zu spät, das Gesundheitswesen ist in einigen Kantonen wieder am Anschlag. Nicht vergessen werden dürfen aber auch die wirtschaftlichen Auswirkungen, viele Betriebe, Selbständige und Kulturschaffende sind akut in ihrer Existenz bedroht. Es braucht jetzt rasch weitere wirtschaftliche Abfederungsmassnahmen. Gerade die Bürgerlichen haben bis jetzt das Kleingewerbe sträflich im Stich gelassen.
Die Session beginnt darum auch mit einer ganz wichtigen Forderung: Mietzinserlass für Geschäftsmieten um 60%. Die CVP hat in der Zwischenzeit ihre Meinung geändert und steht nicht mehr für die Motion ein. Die Kommission stellt den Antrag auf Nicht-Eintreten, die meisten hätten sich anscheinend privat einigen können. Das stimmt so einfach nicht, darum braucht es die Motion weiterhin. Der Coup gelingt, ganz knapp mit 91:89 Stimmen stimmt der Rat für Eintreten. Das Geschäft geht wieder zurück in die Kommission, wertvolle Zeit ist nun leider trotzdem verloren gegangen.
Dritte Woche, letzter Tag (25.9.)
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Der letzte Tag beginnt zuerst nicht erfreulich: Wir verlieren mit Stichentscheid der Nationalratspräsidentin die Abstimmung über die Aufhebung der Administrativhaft für Kinder. Im Rahmen des Vollzugs des Ausländergesetzes könnten nun Minderjährige nach wie vor in Ausschaffungshaft gesteckt werden. Das kann zu schweren psychischen Störungen führen. Da die Präsidentin Isabelle Moret aber falsch abgestimmt hat, erhält der Rückkommensantrag von unserer Seite eine Chance. Die Abstimmung wird wiederholt. Dieses Mal sieht es zum Glück anders aus: Der kantonalen Initiative aus Genf wird knapp mit 95:93 Stimmer zugestimmt!
Bei den Schlussabstimmungen gibt es keine Überraschungen mehr. Dem CO2- Gesetz wird mit 128:59 Stimmen bei 8 Enthaltungen zugestimmt, auch wenn sich die SVP nochmals gegen jeglichen, auch noch so kleinen, ökologischen Fortschritt wehrt und das Referendum ankündigt. Auch das Covid-19- Gesetz erhält mit 133:36 Stimmen eine komfortable Mehrheit.
Nach Sessionsende freue ich mich ganz fest, endlich wieder zu meiner Familie zurückkehren zu können. Am Sonntag steht dann allerdings die Politik bereits wieder im Vordergrund: Wir haben ja den Super-Sonntag mit fünf nationalen Vorlagen, eine davon die Beschaffung der Kampfjets. Habe die Hoffnungen auf ein Nein trotz anders lautenden Umfragewerten noch nicht aufgegeben!
Dritte Woche, vierter Tag (24.9.)
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Der zweitletzte Sessionstag beginnt heute mit der Abstimmung über die Dringlichkeitsklausel des COVID-Gesetzes. Der Nationalrat stimmt klar dieser zu, wie auch der Ständerat. Das Gesetz kann nun ab Samstag in Kraft treten.
Dann stimmt der Nationalrat einer Änderung im ZBG zu, die für die betroffenen Menschen von grösster Wichtigkeit ist: Jede Person, die innerlich fest davon überzeugt ist, nicht dem im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts zuzugehören, kann den Eintrag ändern lassen. Der Nationalrat streicht die Regelung, dass bei Minderjährigen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nötig ist. Der Gesetzesänderung wird mit 121:61 Stimmen bei 13 Enthaltungen zugestimmt. Nur die SVP mit ihrer neuen Juniorpartnerin CVP/Mitte stimmt nicht zu.
Noch deutlicher wird die Einführung einer Ombudsstelle für Kinderrechte angenommen. Es werden nun die Rechtsgrundlagen für eine nationale, niederschwellige und unabhängige Ombudsstelle für Kinderrechte geschaffen mit einem Auskunftsrecht gegenüber Behörden. Laut Unicef ist dieser Schritt schon lange fällig!
Der ganze Nachmittag gehört schliesslich der Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern», die sogenannte 99%-Initiative der Jusos. Sie möchte, dass Kapitaleinkommen (Zinsen, Dividenden etc.) 1.5x so stark wie Arbeitseinkommen besteuert werden. Im Gesetz soll aber ein Freibetrag von beispielsweise 100‘000 Fr./Jahr festgesetzt werden. Der dadurch erzielte Mehrertrag soll die Einkommenssteuern für Personen mit tiefen und mittleren Arbeitseinkommen senken. Zudem könnten die Mehreinnahmen für Leistungen der sozialen Wohlfahrt wie Familienleistungen, Bildung und Gesundheit verwendet werden. Das Anliegen ist aber chancenlos. Nur SP und Grüne stimmen dafür. Auch der Gegenvorschlag, der Kapitaleinkommen gleich besteuern will wie Arbeitseinkommen, erhält keine Mehrheit. Schade, aber nicht unerwartet.
Dritte Woche, dritter Tag (23.9.)
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Heute morgen müssen alle Parlamentarier*innen durch den Hintereingang ins Bundeshaus. Die Polizei ist seit 3 Uhr in der Nacht dabei, den Bundesplatz zu räumen. Das Ganze geht langsam, aber friedlich voran.
Der politische Betrieb startet mit der Gesamterneuerungswahl des Bundesgerichts. Die SVP hat bekannt gegeben, ihren Richter Yves Donzallaz nicht mehr zu unterstützen, weil er nicht «parteikonforme» Urteile gefällt hat. Es ist aber genau für die Gewaltenteilung und einen Rechtsstaat unerlässlich, dass Richter*innen unabhängig entscheiden. Die SP stellt darum einen Rückweisungsantrag, dass die Wahl auf die Wintersession verschoben werden und bis dann die Unabhängigkeit der Richter*innen überprüft werden soll. Der Antrag hat in der Vereinigten Bundesversammlung keine Chance, nicht mal die Grünen unterstützen uns.
Und dann beschäftigt uns wieder einmal mehr das CO2-Gesetz. Dem Vorschlag der Einigungskonferenz wird deutlich zugestimmt.
Über Mittag bin ich an einem Anlass der Parlamentarischen Gruppe Polizei, die ich präsidiere. Es geht um die heikle Frage, ob Blaulichtorganisationen bei Dringlichkeitsfahrten, die laut Gesetz im Raserbereich liegen, verurteilt werden sollen.
Am Nachmittag wird die Armeebotschaft beraten. Ich stelle im Namen der SP einen Rückweisungsantrag: Die militärische Bedrohungsanalyse ist widersprüchlich. Die Prioritäten sollen darum anders gesetzt werden, denn die globalisierten Gefahren des 21. Jahrhunderts lassen sich nicht mit Panzern und Kanonen von der Landesgrenze abhalten. Relevant ist heute Terrorismus, hybride Unsicherheiten, Cyber, kritische Infrastrukturen, Informationskrieg etc. Natürlich hat der Antrag keine Chancen. In Folge lehnen wir gemeinsam mit den Grünen den Zahlungsrahmen und das Rüstungsprogramm ab.
Dritte Woche, zweiter Tag (22.9.)
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Der Zugang zum Bundeshaus gestaltet sich heute morgen etwas schwierig, da neben des traditionellen «Märits» auf dem Bundesplatz die Klimaaktivist*innen immer noch ihre Zelte aufgeschlagen haben. Die Stimmung ist aber nach wie vor friedlich, es werden Rosen verteilt. Klar ist die Kundgebung unbewilligt und klar muss die Stadt gemeinsam mit den Demonstrant*innen eine Lösung finden, aber grundsätzlich habe ich Verständnis für das Anliegen. Die SVP stellt einen erneuten Ordnungsantrag zur Räumung des Bundesplatzes. Dieser wird nun aber mit 90:79 Stimmen bei 16 Enthaltungen abgelehnt.
Im Bundeshausinnern geht es heute um das Vorläuferstoffgesetz, also Stoffe, mit denen man sogenannte «home explosives» herstellen kann. In der EU ist der Erwerb seit 2014 eingeschränkt, in der Schweiz noch nicht auf demselben Niveau. Die SP befürwortet dieses Gesetz, weil es die Abgabe solcher Substanzen an Privatpersonen regelt resp. gezielt einschränkt. So wird der Schutz der Bevölkerung vor Anschlägen mit selbstgebauten Bomben erhöht und Unfälle verhütet. Auch die Apotheker- und Drogistenverbände stehen hinter der Vorlage. Dem Gesetz wird mit 164:27 deutlich zugestimmt, trotz eines anfänglichen Nicht-Eintretens- Antrag der SVP.
Über Mittag findet ein Treffen der Parlamentarischen Gruppe «Menschenhandel» statt. Es geht um die Unterstützung der Opfer von Menschenhandel, die in einem Asylverfahren sind. Nach wie vor gibt es hier Rechtslücken, ich werde darum eine Interpellation zu diesem Thema einreichen, die Klärung schaffen soll, wo der rechtliche Handlungsbedarf besteht.
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag präsidiere ich wie immer am letzten Dienstag in der Session die SP-Fachkommission «Frieden und Sicherheit». Heute diskutieren wir die Rolle des Zivildienstes und des Zivilschutzes während der ersten Corona-Welle und was die «lessons learned» dabei sind.
Dritte Woche, erster Tag (21.9.)
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Es gab auch schon erholsamere Wochenende als dieses. Freitag und Samstag hatten wir nämlich eine Retraite mit der GL der SP Kanton Zürich. Gut, selber schuld, mag man da sagen. Aber da die Klausur wirklich gut und inspirierend war, reichte der Sonntag aus für die Erholung.
Die letzte Sessionswoche startet mit dem Abschluss der Legislaturplanung 2019-2023. Die Schweiz soll ihren Wohlstand nachhaltig sichern, die Chancen der Digitalisierung nutzen, Weichen in der Gleichstellungspolitik stellen, sich für den Klimaschutz engagieren und als verlässliche Partnerin in der Welt agieren. Die Leitlinien, die beschlossen werden , können sich durchaus sehen lassen. Und mit den Akzenten in der Gleichstellungs- und Klimapolitik widerspiegelt die Legislaturplanung das im vergangenen Herbst neu gewählte Parlament. Das lässt hoffen.
Weiter geht es mit aussenpolitischen Geschäften, wie zum Beispiel mit der Strategie der internationalen Zusammenarbeit oder mit der Absicherung der bisherigen Erfolge der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Zentralamerika und der Karibik. Letztere Motion verlieren wir leider mit nur einer Stimme Unterschied.
Vor dem Bundeshaus demonstriert die Klimagerechtigkeitsbewegung, friedlich aber unbewilligt. Das führt zu einem Ordnungsantrag Aeschi, welcher verlangt, dass der Bundesplatz bis morgen um 8 Uhr zu räumen sei. Obwohl die Stadt Bern bekannt gab, dass der Platz morgen früh sicherlich geräumt sei, erhält der unter diesen Umständen so ziemlich sinnlose Antrag eine Mehrheit. SVP, FDP und CVP stimmen dafür.
Und um 21.30 Uhr ist Sitzungsschluss. Die dritte Abendsitzung in dieser Session wäre auch geschafft!
Zweite Woche, vierter Tag (17.9.)
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Der Tag beginnt leider nicht gerade erfolgreich: Es geht um den Gegenvorschlag zur Initiative «Mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung». Dem Gegenvorschlag werden leider sämtliche Milchzähne gezogen, er erfüllt nun die Grundanliegen der Initiative in keinster Weise mehr. Es gibt so keinen Fortschritt in Sachen Transparenz. Der Gegenvorschlag erleidet somit Schiffbruch und wird mit 168:18 Stimmen abgelehnt. Jetzt steht die Transparenz-Initiative alleine da. Ich bin sicher, sie hat Chancen beim Volk!
Danach geht es um zwei Schengen-Vorlagen: Eine zum Ausbau des Schengener Informationssystems (SIS) und eine zur Weiterentwicklung des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems. Die SP steht grundsätzlich nach wie vor hinter Schengen. Wir fordern nun aber, dass das Schengen-Recht vollständig - und nicht nur repressiv - umgesetzt wird. Das heisst konkret, dass die Schweiz ihren Spielraum, den man bei der Ausgestaltung von EU-Recht hat, auch ausnützen muss. Der Grundrechtsschutz muss unbedingt gestärkt werden. Ein Minderheitsantrag von uns, der eine Verbesserung beim Datenschutz beim SIS fordert, erhält keine Mehrheit. Weil die SVP die Vorlage (anders als in der Kommission) ablehnt und die SP-Fraktion sich nun bewusst geschlossen enthält, reicht es knapp nicht für ein Ja. Das Geschäft geht jetzt in den Ständerat. Die SP bietet Hand für eine Zustimmung, wenn unsere Forderung betreffend Verbesserung des Datenschutzes ernst genommen wird und die Vorlage diesbezüglich ergänzt wird.
Am Abend geht es dann nach Hause. Kaum zu glauben, dass nach dem Wochenende bereits schon wieder die letzte Sessionswoche beginnt!
Zweite Woche, dritter Tag (16.9.)
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Heute ist wieder einmal so ein Tag, an welchem ich nicht so viel vom Geschehen im Rat selber mitbekomme. Eine Sitzung jagt die andere. Zum Beispiel bin ich Mitglied der Allianz «Familienergänzende Betreuung», bei welcher auch der Arbeitgeberverband, die SODK und die EDK mit dabei sind. Die Sitzung mit der Allianz wird sehr lange unterbrochen, weil wir im Rat einen riesigen Abstimmungsblock zu bewältigen haben: Wir fehlen darum ganze 45 Minuten lang. Etwas unangenehm für die Gäste.
Die Ratsbetreib startet heute mit dem Nationalstrassenabgabegesetz. Es geht um die Einführung der elektronischen Vignette. Dieser stimmen alle zu, ausser die SVP. Sie hat Bedenken wegen der ständigen Überwachung, ah ja, ausgerechnet… Nachher geht es mit Bildungsvorlagen weiter, die zum Glück alle eine deutliche Mehrheit erhalten.
Über Mittag muss ich noch etwas nacharbeiten. Ein spezielles Gefühl, im total leeren und ruhigen Nationalratssaal, aber auch sehr erholsam.
Nach der Sitzung haben Marionna Schlatter und ich noch ein digitales Kampfjet-Podium. Für mich ist es das erste Online-Podium, bin etwas skeptisch. Die Spontanität geht bei einer Videokonferenz natürlich verloren, aber das Podium ist zum Glück sehr gut moderiert. Wir können unsere Message gut einbringen.