Bundeshaus-Blog
Die zweite Woche, dritter Tag (6. 12.)
Die Kommissionssitzung um 7 Uhr dauert nicht lange. Die SiK-N hält ihren Antrag, der in Differenz zum Ständerat steht, nicht weiter aufrecht. Ich bin froh, habe ich diesen Antrag eh nicht unterstützt. Es geht um den jährlichen Beitrag an Frontex, der erhöht werden soll, damit die Schengen-Aussengrenze besser kontrolliert werden kann. Die Kommission wollte einen Plafond bei 12 Mio. pro Jahr, diese Begrenzung steht aber im Gegensatz zum Schengen-Verteilschlüssel. Das Geschäft ist am Morgen dann auch gleich für die Beratung im Nationalrat vorgesehen. Da ich das letzte Mal Kommissionsprecherin sein durfte, ist das auch heute wieder der Fall. Das heisst, noch schnell ein Votum schreiben, das ich dann aber beim Vortragen auf ein Minimum kürze. Der Nationalrat lenkt auf die Variante Ständerat/Bundesrat ein, somit besteht in diesem Geschäft keine Differenz mehr zum Ständerat und kann in die Schlussabstimmung.
Heute beginnen auch die Beratungen zur Vollgeld-Initiative. Diese Initiative will die Geldschöpfung ändern: Banken sollen kein Geld mehr schaffen dürfen, nur noch die Nationalbank. Die SP hat grosse Sympathien für die Initiative, sieht aber klar Probleme bei der Realisierung im internationalen Kontext.
Die Beratungen werden schliesslich unterbrochen für die Wahl des Bundespräsidenten. Alain Berset wird mit 190 Stimmen gewählt, ein sehr gutes Resultat! Ueli Maurer wird mit 178 Stimmen zum Vize-Bundespräsidenten gewählt.
Nach den Feierlichkeiten für den neuen Bundespräsidenten geht es zum Weihnachtessen der SP-Fraktion. In der Wintersession wird sehr oft gefestet, da muss ich schauen, dass es nicht zu viel wird ;-)!
Die zweite Woche, zweiter Tag (5. 12.)
Also so Singen um 7 Uhr morgens ist schon sehr ungewohnt für mich, macht aber tatsächlich Spass. Heute beherrschen wir unsere zwei Lieder schon etwas besser, jedoch aufführungsreif sind wir definitiv noch nicht... Die Bundeshaus-Band probt nächste Woche noch zwei Mal, dann müssen wir es können!
Im Rat steht heute Morgen wieder einmal eine Volksinitiative an, diejenige für Ernährungssouveränität. Die Initiative geht vielen zu weit. Sie ist denn auch sehr ausführlich und umfangreich formuliert. Sauer stösst aus Sicht der KonsumentInnen zum Beispiel der Umstand auf, dass Zölle in der Verfassung festgeschrieben werden sollen. 1000 Fr. pro Haushalt kostet dieses protektionistische Verhalten jedes Jahr jetzt schon. Direktzahlungen an die Bauern sind die bessere und sozialere Massnahme. Auf der anderen Seite ist es auch klar, dass unsere Bauern nicht dem Weltmarkt „geopfert“ werden sollen. Die SP schlägt daher einen Gegenvorschlag vor, der auf eine Stärkung der Direktvermarktung abzielt. Da wieder zahlreiche RednerInnen auf der Liste stehen, werden wir heute nicht fertig, die Beratungen werden am Donnerstag fortgesetzt.
An der Fraktionssitzung am Nachmittag kann ich nicht allzu lange bleiben, um 16 Uhr muss ich auf den Zug, damit ich rechtzeitig in Kloten zur Budgetdebatte bin. Die Debatte geht zügig voran, dem Voranschlag wird einstimmig zugestimmt. Ein Novum, die letzten drei Male hatten wir vor den Wahlen kein Budget. Danach kehre ich wieder zurück nach Bern. Habe morgen um 7 Uhr Kommissionssitzung, Differenzbereinigung. Es tut mir schon ziemlich weh, in Kloten gewesen zu sein, ohne meine Familie zu sehen...
Die zweite Woche, erster Tag (4. 12.)
Jetzt steht er endlich wieder im Eingangsbereich des Bundeshauses, vor den strammen Eidgenossen: ein riesiger, wunderschöner Christbaum. Es weihnachtet nun also definitiv. Im Gegensatz zu den vielen Weihnachtsmuffeln um mich herum liebe ich diese Zeit. Ja, und ich gebe es zu, es kann nicht genug kitschig sein ;-)!
Der nüchterne Alltag holt einen im Ratssaal dann schnell wieder ein: Die Beratungen zum Budget 2018 werden fortgesetzt, es wird munter weiter gekürzt. Besonders ärgere ich mich über Kürzungen bei der Zivildienststelle im Finanzplan, die Bundesbeiträge für die Entschädigungen an Einsatzbetriebe ab 2019 gestrichen werden. Die Angriffe gegen den Zivildienst gehen weiter, hoffentlich lässt sich dies das nächste Jahr wieder korrigieren. Es gibt aber auch kleine Lichtblicke: Die Kürzungen beim Konsumentenschutz konnten abgewendet werden. Das Budget ist nun in der ersten Runde durchberaten und geht jetzt zurück in den Ständerat.
Bereits am späteren Abend wird danach die Umsetzung zur Pädophilen-Initiative beraten. Der Bundesrat setzte die Umsetzung so an, dass sie in unser Rechtsgefüge passt. Das Verhältnismässigkeitsprinzip muss gewährt bleiben, es braucht auch zwingend eine Einzelfallbeurteilung. Verurteilte pädophile Straftäter haben ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot, bei nicht pädophilen Straftätern kann dieses in ganz begrenzten Fällen wieder aufgehoben werden (zB. Stichwort Jugendliebe). Die SP steckt in einem Dilemma. Einerseits ist eine strenge Vorgehensweise Tätern gegenüber, die sexuelle Gewalt gegen Kinder ausüben, notwendig. Andererseits muss aber auch in diesem Falle sichergestellt werden, dass die Verfassung und die EMRK nicht verletzt werden. Die bundesrätliche Vorlage wird weiter verschärft, am meisten zu diskutieren gibt die Streichung der Härtefallklausel. Die Streichung wird aber abgelehnt, das finde ich richtig so. Das Gesetz wird schliesslich einstimmig angenommen und geht zurück an den Ständerat.
Um 22.15 Uhr ist die Sitzung endlich beendet, morgen geht es um 7 Uhr mit den Bundeshaus-Band-Proben weiter!
Die erste Woche, vierter Tag (30. 11.)
Den Abend zu Hause habe ich sehr genossen, aber am Morgen bereue ich es, nicht schon in Bern zu sein. Erstens muss ich logischerweise viel früher aufstehen und zweitens ist der jeweils sehr gut gefüllte Zug nach Bern nicht so ein Vergnügen. Da ich aber im Flughafen einsteigen kann, habe ich wenigstens immer einen Sitzplatz!
Die Beratungen zum Voranschlag 2018 werden fortgesetzt. Erwähnenswert sind die beiden Einzelanträge Nordmann und Aeschi welche die 442. Mio., die wegen der verlorenen Abstimmung über die Altersvorsorge 2020 frei wurden, in den AHV-Fonds stecken wollen. Wenn SP und SVP zusammenspannen, ist die Sache „gebongt“, der Nationalrat stimmt den beiden identischen Anträgen mit 130:61 Stimmen zu. Die FDP wundert sich über die Kehrtwende der SVP, die Haltung der SP wird aber als konsequent taxiert. Immerhin gibt das so nun eine finanzielle „Verschnaufpause“ um die nächste Altersreform anzupacken und zu realisieren.
Die Budgetberatungen werden am Montagnachmittag fortgesetzt, open end. Und damit ist die erste Sessionswoche schon wieder vorbei, die Tage vergehen jeweils wie im Fluge.
Die erste Woche, dritter Tag (29. 11.)
Nachdem der Ständerat gestern das Bundes-Budget in vier Stunden durchgearbeitet hat, beginnt heute der Nationalrat mit den Beratungen. Es sind beinahe 100 Änderungsanträge gestellt, so viele hat es anscheinend noch nie gegeben. Den ersten Antrag stellt die SP: Wir möchten das Budget an den Bundesrat zurückweisen. Der Bund soll sich pro-zyklisch verhalten. Überschüsse sollen nicht in den Schuldenabbau gesteckt werden, sondern in Investitionen. Es zeigt sich heute auch deutlich, dass das Stabilisierungsprogramm 2017 unnötig war. Die Folgen davon für Bildung, Personal Entwicklungszusammenarbeit, Kultur und Landwirtschaft sind jetzt aber schmerzlich spürbar. Erwartungsgemäss scheitert der Rückweisungsantrag, nur die Grünen unterstützen ihn auch. Immerhin gibt es einen kleinen Lichtblick: Ein Antrag von uns, der 32 Mio. Verbesserungen bei den Löhnen des Bundespersonals bringt, wird angenommen.
Um 12 Uhr wird die Sitzung bereits geschlossen, denn am Nachmittag sind die jeweiligen Feiern für die National- und Ständeratspräsidien. Ich benutze die Gelegenheit und kehre nach Hause zurück. So sehe ich meine Familie bereits einen Tag früher, das tut gut!
Die erste Woche, zweiter Tag (28. 11.)
Heute beginnt der Tag bereits um 7 Uhr. Die Bundeshaus-Band probt für die Bundespräsidentenfeier von Alain Berset vom 14. Dezember, wir haben einen kurzen Auftritt in Fribourg. Nach der ersten Probe muss ich sagen, dass ich sehr froh bin, dass der Auftritt nicht bereits morgen ist. Es besteht also durchaus noch Luft nach oben...
Das Hauptgeschäft heute Morgen ist das Kindesschutz-Gesetz. Der Nationalrat ist an der Sondersession im Frühling gar nicht erst auf die Vorlage eingetreten, der Ständerat war in der Herbstsession vernünftiger und behandelte das Gesetz. Nun liegt der Ball wieder beim Nationalrat. Der grösste Streitpunkt ist die Ausweitung der Meldepflicht. Neu soll die Meldepflicht für alle Fachpersonen gelten, welche beruflich regelmässig Kontakt mit Kindern haben. Bis jetzt gilt die Meldepflicht nur für Personen in amtlicher Tätigkeit (zB. LehrerInnen). Mit 102:92 Stimmen tritt der Nationalrat äusserst knapp auf die Vorlage ein. Der erweiterten Meldepflicht wird zugestimmt, allerdings obsiegt ein Minderheitsantrag von SVP und FDP, welcher die Meldepflicht abschwächt, in dem sie nur bei konkreten Hinweisen getätigt werden soll. Was immer auch unter „konkreten Hinweisen“ juristisch zu verstehen ist, es ist leider ganz sicher nicht im Interesse des Kindes gedacht. Dem Gesetz wird zugestimmt, es bestehen wegen des besagten Antrags aber noch Differenzen zum Ständerat.
Über Mittag gehe ich an die Veranstaltung der Parlamentarischen Gruppen Arbeit und Migration. Es geht ums Thema „Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt“ Ein sehr informativer und lehrreicher Anlass.
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag habe ich noch etwas Spezielles vor: Das Gemeindeführungsorgan der Stadt Kloten hat eine zweitägige Übung in Bern. Ich besuche die Mitglieder des GFO beim Nachtessen. Jetzt habe ich gerade etwas Heimweh nach Kloten...
Wintersession 2017, die erste Woche, erster Tag (27. 11.)
Halbzeit, die erste Hälfte der Legislatur ist bereits vorbei. In der zweiten wird das Thema Wahlen wohl immer präsenter werden, die ersten Anzeichen sind bereits spürbar. Für mich steht jetzt schon fest, dass ich gerne eine zweite Legislatur machen würde, sofern die WählerInnen dies ebenso sehen ;-).
Das neue Amtsjahr beginnt wiederum sehr angenehm. Nachdem sich alle durch den Zibelemärit geschmückt mit Konfettis ins Bundeshaus „gekämpft“ haben, wird zu Beginn das Ratspräsidium neu gewählt. Jürg Stahl war ein guter Nationalratspräsident: unaufgeregt, pragmatisch, mit souveräner Sitzungsführung. Dominique de Buman erreicht als sein Nachfolger ein gutes Resultat, nach der Wahl gibt es einen feinen Apéro Fribourgois.
Gearbeitet wird dann aber doch noch, das wäre sonst schon allzu gemütlich. Es geht um Bildungsmobilität, konkret um die Vollassoziierung am EU-Programm Erasmus plus. Für die Schweizer Studierenden ist es von enormer Wichtigkeit auch an anderen europäischen Hochschulen studieren zu können. Ebenso sollen auch europäische Studierende die Möglichkeit haben, in der Schweiz zu studieren. Aus Kostengründen entschied sich der Bundesrat unverständlicherweise gegen eine Vollassoziierung an Erasmus plus. Zur Zeit ist eine Übergangslösung in Kraft, die aber einige Nachteile hat. Einer Motion aus dem Ständerat, welche die Vollassoziierung ab 2021 verlangt, wird mit 109:80 zugestimmt. In diesem Sinne könnte es meiner Meinung nach weitergehen, doch leider wird das beim Voranschlag 2018, dem Hauptgeschäft der Wintersession, kaum der Fall sein...
Die dritte Woche, letzter Tag (29. 9.)
Heute ist bereits wieder der letzte Sessionstag. Diese drei Wochen sind sehr schnell vorbei gegangen, mit der Wahl des neuen Bundesrats in der Sessionsmitte gab es ja auch einen nicht alltäglichen Höhepunkt.
Zwei Vorstössen möchte ich noch speziell hervorheben: Das Postulat von Cédric Wermuth, das eine Debatten – und Diskussionskultur im Nationalrat einführen möchte, wird leider abgelehnt. Klar gäbe es da einige praktische Fragen zu lösen, welche nicht ganz einfach wären, aber grundsätzlich würde meiner Meinung nach der Ratsbetrieb an Spannung gewinnen, wenn man auch Replik halten könnte.
Eine Petition der Jugendsession sorgt ebenfalls für Aufmerksamkeit: Die Petition verlangt, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, welche die Legalisierung der Eizellenspende zulassen soll. Nachdem die Abstimmung noch einmal wiederholt wird, kippt das Ergebnis zuungunsten der Petition: Der Nationalrat entscheidet sich dagegen, eine gesetzliche Grundlage für Eizellspenden zu schaffen. Ich habe für die Petition gestimmt. Auch wenn die Frage der Eizellenspende ethisch sich nicht so einfach mit Ja oder Nein beantworten lässt, überwiegen bei mir doch die Vorteile und die grosse Chance für kinderlose Paare, natürlich nur unter strengen Auflagen.
Nach den Schlussabtimmungen gibt es einen Abschieds-Apéro: Maya Ingold, Hansjörg Walter und Herrmann Hess verlassen das Parlament.
Dann ist die Herbstsession 2017 auch bereits wieder Geschichte. Intensive, aber auch sehr spannende drei Wochen liegen hinter mir. Nun freue ich mich aber sehr, wieder mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können, und Herbstferien stehen auch bald vor der Tür!
Die dritte Woche, vierter Tag (28. 9.)
Heute werden die Beratungen zur „Fairfood“-Initiative fortgesetzt. Unser Gegenvorschlag, welcher vereinbar mit den bestehenden Handelsverträgen wäre und die wichtigsten Anliegen der Initiative aufführt, erhält leider keine Mehrheit. Ich unterstütze darum bei der Schlussabstimmung die Initiative, weil ihr Grundsatz für mich klar unterstützenswert ist. Beim „Wie“ lässt die Initiative nämlich Spielraum, sie will primär Verbesserungen der jetzigen Situation. Im Nationalrat hat sie aber keine Chance und wird mit 125: 37 Stimmen bei 23 Enthaltungen abgeschmettert. Jetzt ist der Ständerat dran.
Die Sitzung endet bereits um 11 Uhr. Der Grund dafür sind die Feierlichkeiten im Tessin für den neu gewählten Bundesrat Cassis. Das ist natürlich eine willkommene Abwechslung!
Die dritte Woche, dritter Tag (27. 9.)
Heute ist der letzte Auftritt von Didier Burkhalter im Nationalrat. Der Rat macht ihm auch ein Abschiedsgeschenk, in dem alle Vorlagen im Sinne des Bundesrates (und auch sehr in meinem Sinne) verabschiedet werden. Eine Motion zum Bespiel, die verlangt, dass die Entwicklungszusammenarbeit sich nicht mehr an der sogenannten APD-Quote (0,5 % des Bruttoinlandproduktes), sondern am Zustand der Bundesfinanzen orientieren soll, erhält keine Mehrheit. Dies hätte sonst zu einem Abbau der Entwicklungszusammenarbeit geführt, bin erleichtert über das Ergebnis! Am Schluss erhält Burkhalter nochmals eine langen, warmen Applaus mit Standing Ovation. Ich weiss, ich wiederhole mich, aber er war wirklich einer meiner Lieblings-Bundesräte.
Am Nachmittag geht es um den sogenannten AIA, den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten mit zusätzlich neuen 41 Partnerstaaten. Die SP hat die Einführung der AIA immer unterstützt. Zum einen ist der AIA wichtig, um Steuerhinterziehung international zu bekämpfen, zum anderen wird dadurch auch der Zugang zu den internationalen Märkten gesichert. Die SVP filibustert mit vielen unnötigen Fragen und hofft so, dass das Geschäft nicht mehr in dieser Session zu Ende beraten werden kann. Dann würde diese AIA-Erweiterung noch nicht im nächsten Jahr in Kraft treten. Es folgen dann 41 Abstimmungen zu den einzelnen Ländern, Neuseeland wird zurückgewiesen und auf Saudiarabien wird nicht eingetreten. Am Schluss wird die Vorlage trotzdem zu Ende beraten und geht nun fristgerecht in den Ständerat.
Die dritte Woche, zweiter Tag (26. 9.)
Heute Morgen wird zuerst mit den Beratungen zur Fairfood-Initiative begonnen. Diese fordert, dass der Bund das Angebot an denjenigen Lebensmitteln stärkt, die von guter Qualität, tierfreundlich, umwelt- und ressourcenschonend sind und auch unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden. SP will fairen Food, das ist unbestritten. Bei der Initiative gehen die Meinungen allerdings auseinander. Der Handel soll sich ebenfalls fair entwickeln, die SP machte darum einen Gegenvorschlag. Die Initiative hat sehr verbindliche Formulierungen, das könnte zu Importbeschränkungen führen, eine Umsetzung wäre sehr aufwändig. Der Gegenvorschlag ist hingegen vereinbar mit den bestehenden Handelsverträgen, führt die wichtigsten Anliegen der Initiative aber auf. Die Beratungen werden um 10.30 Uhr unterbrochen und am Donnerstag fortgesetzt.
Einmal mehr beschäftigt sich der Nationalrat danach mit dem Geldspielgesetz. Es bleibt weiterhin eine Differenz zum Ständerat bestehen, das Geschäft muss in die Einigungskonferenz.
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag steht am Abend wieder eine Sitzung der SP-Fachkommission für Frieden und Sicherheit an, die ich präsidiere. Heutiges Thema ist die Rolle der Schweiz bei einem völkerrechtlichen Verbot von Atomwaffen und Autonomen Waffen. Mit zwei ausgewiesenen Fachfrauen können wir diese Frage vertieft diskutieren.
Die dritte Woche, erster Tag (25. 9.)
Das Abstimmungs-Wochenende habe ich mir definitiv anders vorgestellt. Leider hat die SP auf der ganzen Linie verloren, sowohl auf nationaler wie auch kantonaler Ebene, ich will das gar nicht beschönigen. Die Altersvorsorge 2020 wurde deutlicher abgelehnt, als ich es erwartet hatte. Jetzt stehen wir vor dem Nichts, zurück bleibt ein Scherbenhaufen, wir beginnen wieder auf dem Feld 1. Die SP wird zu einer reinen Abbauvorlage niemals Hand bieten, eine Erhöhung des Frauenrentenalters zum Beispiel ist nur mit einer Kompensation möglich. Aber eines ist auch klar: Wir müssen uns jetzt sofort an die Arbeit machen! Aufstehen, Krone richten, weitergehen...
Im Nationalrat gehen heute Nachmittag die Beratungen zur „No Billag“-Initiative weiter. Sie dauern nun doch nicht mehr so lange an, wie befürchtet, da sich einige RednerInnen zurückgezogen haben. Der Rat erteilt sowohl dem Gegenvorschlag wie auch der Initiative eine deutliche Abfuhr. Darüber bin ich sehr erleichtert und hoffe sehr, dass das Schweizer Stimmvolk dies bei der Abstimmung auch so sieht. Aber es wird kein Spaziergang.
Am Abend gehe ich wieder einmal an eine Veranstaltung: Es ist die „Table Urbaine“ vom Schweizerischen Städteverband. Ein angenehmer, lockerer und kultivierter Austausch unter den VertreterInnen der Städte, ein versöhnlicher Abschluss des Tages und die wahrscheinlich schönste Veranstaltung während der Session.
Die zweite Woche, vierter Tag (21. 9.)
Heute habe ich endlich meinen auf diese Woche verschobenen Einsatz als Kommissionssprecherin. Ich bin etwas nervös, weil ich zum ersten Mal im Namen der Kommission sprechen darf. Der genaue Ablauf ist mir ehrlich gesagt nicht bis ins Letzte klar, mein Kommissionskollege Hugues Hiltpold, welcher das Votum für die lateinische Schweiz hält, erklärt mir aber alles. So geht dieser Einsatz auch gut über die Bühne, aber ich muss sagen, es macht mehr „Spass“, als Fraktionssprecherin zu reden, weil man dann nicht neutral argumentieren muss. Das Geschäft, um was es sich handelt, betrifft die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes. Für die Schengen-Aussengrenze wird eine neue Agentur gegründet, die ein Soforteinsatzpool von 1500 GrenzschutzexpertInnen samt technischer Ausrüstung unterhält. Sollten die Aussengrenzen eines Schengen-Staates stark gefordert sein, zB. durch viele Flüchtlinge, grenzübergreifende Kriminalität oder Menschenhandel, können diese Soforteinsatzteams eingesetzt werden. Die SP ist sich nicht ganz einig. Durch die Vorlage wird die menschenunwürdige Situation der Flüchtlinge nicht verbessert, auch ist die Einhaltung der Menschenrechte nicht besser gewährleistet. Das finde ich ebenfalls, bin darum auch klar für legale Fluchtrouten. Nur verbessert man nichts an der Situation der Flüchtlinge, wenn man zu dieser Verordnung Nein sagt. Wir haben in Europa eine gemeinsame Verantwortung, es gibt momentan keine reale Alternative zu Schengen. Dem Geschäft wird deutlicher als erwartet zugestimmt, obwohl natürlich auch die SVP dagegen ist, weil es um Schengen geht.
Etwas früher als geplant hört die Sitzung am Mittag auf und ich kann wieder nach Hause fahren. Bin nun sehr gespannt auf das Abstimmungs-Wochenende und hoffe fest auf 2 x JA zur Altersvorsorge 2020!
Die zweite Woche, dritter Tag (20. 9.)
Und heute ist der sicher aufregendste Tag dieser Session da: die Bundesratswahlen stehen an. Die SP-Fraktion hat um 7 Uhr Sitzung, wir besprechen nochmals unsere Taktik. Das Bundeshaus ist kaum wieder zu erkennen. Überall sind Schweinwerfer angebracht, es ist endlich mal genug hell in diesem sonst eher düsteren Gebäude. Zudem wimmelt es schon zu dieser frühen Morgenstunde von Medienschaffenden. Alle drei KandidatInnen werden Stimmen aus der SP erhalten, zumindest für den ersten Wahlgang. Ich wähle Isabelle Moret. Der Frauenanspruch ist für mich wichtiger als der Regionenanspruch des Tessins, zudem fällt sie gegenüber ihren männlichen Konkurrenten überhaupt nicht ab, wie uns dies gewisse Medien auf verwerfliche und sexistische Art und Weise versuchten einzureden. Schon nach dem ersten Wahlgang ist aber klar, dass Cassis das Rennen machen wird. Darum ist niemand überrascht, dass nach dem zweiten Wahlgang schon alles entschieden ist. Pierre Maudet erhält einen Achtungserfolg, den hat er auch verdient. Auch wenn meine Präferenzen bei Moret und Maudet waren, glaube ich doch, dass Iganzio Cassis ein fähiger Bundesrat sein wird, der den Kanton Tessin gut vertreten wird.
Berührt hat mich die Abschiedsrede von Didier Burkhalter. Ich gebe zu, er war einer meiner Lieblings-Bundesräte. Seine Aussenpolitik, seine weltoffene Haltung und seine humanitären Grundsätze haben mich stets überzeugt.
Die zweite Woche, zweiter Tag (19. 9.)
Mein Vorhaben geht auf. Ich kann bis zur Pause an der Stadtratssitzung bleiben und mein Geschäft vertreten, dann fahre ich ohne Gehetze nach Bern. Auf der RednerInnen-Liste zur RASA-Initiative sind 35 Leute vermerkt, da reicht die Zeit locker.
Die RASA-Initiative hat ihren Zweck erfüllt, sie war für die Beratung zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) wichtig und wertvoll. Mit der Umsetzung der MEI sind wir jetzt aber zufrieden (also mit dem sogenannten „Inländervorrang light“), da sie nicht zu einer Kündigung der bilateralen Verträge führt. Das Hauptziel der RASA, nämlich der Erhalt der Bilateralen, ist also erfüllt. Es wäre der Sache nun sehr dienlich, wenn das Initiativ-Komitee die Initiative zurückziehen würde... Auf die Gegenvorschläge wird nicht eingetreten, in der Schlussabstimmung lehnt der Nationalrat die RASA-Initiative ab. Wir enthalten uns, weil wir das Anliegen grundsätzlich wie erwähnt für erfüllt halten, aber durchaus Sympathien für die Initiative haben.
Am Nachmittag ist „Full House“ in der Fraktionssitzung, alle Plätze sind besetzt, einige müssen sogar stehen: Die Hearings der drei Bundesrats-KandidatInnen stehen auf der Traktandenliste. Ich muss zugeben, alle Drei haben einen soliden Auftritt. Wir entscheiden darum erst morgen früh über unsere Strategie. Die „Nacht der langen Messer“ ist bei mir ganz harmlos. Ich gehe mit einigen GenossInnen gemütlich Znacht essen, das Rumhängen in der Bellevue-Bar ist nicht so meins. Natürlich sind die Bundesrats-Wahlen das vorherrschende Thema, aber wir reden auch über andere Dinge. Aber gespannt auf das Ergebnis von morgen bin ich selbstverständlich schon sehr!