Bundeshaus-Blog
Die dritte Woche, erster Tag (13. 3.)
Heute merkt man spürbar, dass wir in der Frühjahrssession sind. Der Frühling hat endlich Einzug gehalten. Bei schönstem Wetter reise ich für die letzte Sessionswoche wieder nach Bern.
Im Nationalrat werden nach der Fragestunde die Beratungen zur Altersvorsorge 2020 wieder aufgenommen. Es bestehen bekanntlich weiterhin Differenzen zum Ständerat. Auch wenn die vorberatende Kommission des Nationalrats den Automatismus zur Rentenerhöhung auf 67 fallen gelassen hat, ist für uns die Renten-Kompensation in der 1. Säule nicht verhandelbar. Wie wollen die 70 Fr. in der AHV. Wir sind bereits bei der Erhöhung des Frauen-Rentenalters auf 65 und bei der Senkung des Umwandlungssatzes einem Kompromiss mehr als bloss nur „entgegen gekommen“. Die Frauen sind es nämlich, welche bei dieser Reform am meisten Opfer bringen. Die AHV ist für 40% der Frauen die einzige Rentenlösung. Darum bringt eine Kompensation in der 1. Säule gerade den Frauen am meisten.
Wie erwartet, bleiben zwei Differenzen zum Ständerat bestehen: Der Nationalrat hält leider an seinem Modell mit der Kompensation in der 2. Säule mit 102:91 Stimmen fest, zudem wurde die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf höchstens 0,6% belassen. Die Vorlage geht nun in die Einigungskonferenz, der „Showdown“ erfolgt dann am nächsten Donnerstag. Wir hoffen auf die bürgerlichen Abweichler...
Die zweite Woche, vierter Tag (9. 3.)
Der Schwerpunkt heute Morgen ist die Vorlage „Organisation der Bahninfrastruktur“ (OBI). Niemand ist wirklich glücklich über diese Vorlage, weder die VerkehrspolitikerInnen, noch die Kantone und Gemeinden. Zuviel wurde in die Vorlage gepackt und trotzdem bleibt sie unvollständig. Die SP unterstützt den Bundesrat, welcher an der integrierten Bahn festhalten will. Unser Bahnsystem funktioniert grundsätzlich gut, das soll auch so bleiben. Darum wollen wir diese Errungenschaft nicht mit einer Rückweisung gefährden, weil damit auch die Auslagerung der SBB Cargo gefordert wird. Dabei hat die Vorlage nämlich durchaus auch kritische Punkte, wie zum Beispiel die Systemführerschaft beim Bund. Das könnte bedeuten, dass der Bund die Vereinheitlichung im Tarifsystem herbeiführen möchte, was die Kantone überhaupt nicht wollen. Doch soweit kommt es wie erwartet gar nicht, die Vorlage wird deutlich zurückgewiesen und geht jetzt an den Ständerat.
Ich liebe ja die landwirtschaftlichen Vorstösse, viele entlocken einem oft ein Schmunzeln. Zum Erstaunen und Amüsement des ganzen Rates wurde eine Motion mit nur einer Stimme mehr überwiesen, welche verlangt, dass landwirtschaftliche Tierhalter beim Stall wohnen dürfen.
Damit ist auch die zweite Sessionswoche beendet und es geht wieder nach Hause. Diese Woche verging wirklich wie im Flug!
Die zweite Woche, dritter Tag (8. 3.)
Der heutige Morgen steht ganz unter dem Zeichen der Aussenpolitik. Die Mitglieder der Kommission würdigen den Aussenpolitischen Bericht 2016. Es sind sich alle einig, dass die globale Situation instabiler und schwieriger geworden ist. Gerade die neutrale Schweiz soll sich darum weiterhin aktiv und engagiert in internationalen Gremien wie zum Beispiel die OSZE einbringen. Da herrscht breiter Konsens. Nur die SVP sieht das erwartungsgemäss anders, sie moniert einmal mehr den angeblichen „Wasserkopf“ im DEZA.
Um 11 Uhr treffen sich ParlamentarierInnen zum gemeinsamen überparteilichen Strick-In in der Wandelhalle, mit oder ohne Pussyhat, anlässlich des heutigen Tag der Frau. Ich gebe zu, ich kann (nicht) mehr stricken. Ich habe mir als Mädchen nach der letzten Handarbeitsstunde in der 6. Klasse geschworen, nie mehr eine Stricknadel anzufassen. Ich wollte nämlich lieber ins Werken, damals war der Handarbeitsuntereicht aber noch nicht koeduziert. Für mich ist es darum ein bisschen ein Hohn, wenn jetzt ausgerechnet Stricken zum neuen Symbol der Gleichberechtigung wird. Aber ich mache natürlich aus solidarischen und inhaltlichen Gründen trotzdem mit, ziehe auch einen Pussyhat an, stricke aber nicht. Angeblich gehe das „Stricken aus Protest“ sogar auf die Französische Revolution zurück.
Am Nachmittag werden die Differenzen zum Ständerat im Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit beraten. Schwarzarbeit schadet dem Gewerbe, da sind sich alle einig. Aber es nützt wohl kaum etwas, wenn „schwarze Schafe“ nicht sanktioniert werden können. Das sieht die Mehrheit des Nationalrates unbegreiflicherweise aber nicht so und streicht den Bussen-Artikel. Damit besteht aber nun weiterhin eine Differenz zum Ständerat.
Dann wird das Klima- und Energielenkungssystem (KELS) begraben. Auch die SP macht mit, auf das Geschäft wird gar nicht erst eingetreten. Wegen den tiefen Strom- und Treibstoffpreisen müssten die Preise unverhältnismässig stark erhöht werden, so lässt sich eine Lenkungsabgabe nicht mehr durchsetzen. Zudem gibt es auf den ganzen „Energie-Kuchen“ schon 40% Lenkungsabgaben. Diese könnte man ohne Änderung der Verfassung weiter ausbauen. So bis in die letzte Faser bin ich aber nicht überzeugt. Ich glaube immer noch, dass ein Lenkungssystem wirksamer wäre. als ein Fördersystem... Vor allem braucht es jetzt aber wieder eine bessere, neue Lösung!
Die zweite Woche, zweiter Tag (7. 3.)
Heute steht wieder einmal ein Landwirtschafts-Morgen an. Es geht unter anderem um die Volksinitiative „Für Ernährungssicherheit“. Bei den ersten Beratungen im Nationalrat vor rund einem Jahr, war niemanden eigentlich ganz klar, was diese Initiative eigentlich wollte. Zu diffus und nebulös ist die formuliert. Der Ständerat besserte mit einem direkten Gegenvorschlag nach, welcher nun den Begriff „Ernährungssicherheit“ klarer umschreibt. Sinn der Initiative und des Gegenentwurfs ist, dass die Ernährung „vom Feld bis zum Teller“ sichergestellt werden soll. Der Selbstversorgungsgrad soll erhöht werden, aber ohne protektionistische Ansätze. Zudem wurden die Anliegen der Fairfood-Initiative ebenfalls aufgenommen, in dem zum Beispiel ein Ressourcen schonender Umgang mit Nahrungsmitteln nun in die Verfassung geschrieben werden soll. Ich finde dieses Zeichen absolut richtig und ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Foodwaste.
Über Mittag besuche ich eine Info-Veranstaltung des VBS. Der Chef der Armee Philippe Rebord informiert über die Umsetzung der WEA (Weiterentwicklung der Armee). Ausser einem leider wieder unnötigen Angriff auf den Zivildienst tönen seine Ausführungen ganz vernünftig.
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag tagt wie immer einmal während der Session die SP-Fachkommission für Frieden und Sicherheit. Seit einem Jahr präsidiere ich dieses Gremium. Die Inputs, welche von den Fachleuten eingebracht werden, sind für meine politische Arbeit jeweils sehr wertvoll.
Der Abend wird abgerundet durch ein Treffen mit dem Zürcher Regierungsrat und den Städten Zürich und Winterthur. Den Austausch mit dem eigenen Kanton finde ich sinnvoll. Dann geht’s endlich nach Hause in die Berner Wohnung, und ich bin ehrlich gesagt ziemlich „erledigt“.
Die zweite Woche, erster Tag (6. 3.)
Nach einem erholsamen Wochenende mit meiner Familie geht es heute Nachmittag wieder in Bern weiter. Ich muss zugeben, dass ich von den heutigen Debatten nicht allzu viel mitbekomme. Heute geht es vorwiegend um das Ausgleichsfondsgesetz. Es wird neu nur noch eine öffentlich-rechtliche Anstalt geben, unter deren Dach die Verwaltung der drei Ausgleichsfonds AHV, IV und EO gemacht wird. Der Nationalrat stimmt dem Gesetz am Ende deutlich zu.
Gleich zu Beginn der Sitzung habe ich persönlichen Besuch, den ich durchs Bundeshaus führen darf. Das mache ich jeweils sehr gerne! Nachher stehen Regine Sauter und ich Studierenden der ZHAW Rede und Antwort, das gehört auch zur Aufgabe von ParlamentarierInnen. Es geht um die Altersvorsorge 2020, die jungen Leute haben sich gut vorbereitet und stellen interessante Fragen. Ich muss mir sehr Mühe geben und darf keine Sekunde unaufmerksam sein, da Regine Sauter als Mitglied der vorberatenden Kommission das Geschäft in- und auswendig. Der Dialog mit den Studierenden macht mir ebenfalls sehr Spass. In Bern fehlt mir manchmal der direkte Austausch mit der Bevölkerung. Dazu gibt es in der Lokalpolitik mehr Gelegenheiten.
Die erste Woche, vierter Tag (2. 3.)
Das wichtigste Geschäft heute Morgen ist aus meiner Sicht die Genehmigung des Klimaübereinkommens von Paris. Die SVP ist natürlich dagegen, das ist nicht weiter verwunderlich. Immerhin wird die Klimaveränderung an sich nicht mehr in Frage gestellt (ausser noch von Andreas Glarner), dies im Gegensatz zum neuen US-Präsidenten... Der Antrag der SVP auf Nicht-Enterten ist denn auch chancenlos. Die Rolle der FDP ist dafür von Interesse, sie stellt den Antrag die Treibhausgasemissionen nur um 40% statt um 50% gegenüber 1990 zu senken. Wir hoffen aber auf die Abweichler.
Wenn wir nicht endlich noch mehr Anstrengungen unternehmen, damit das Klima wieder mehr ins Gleichgewicht kommt, werden nicht nur die ökologischen, sondern auch die volkswirtschaftlichen Schäden durch immer häufigere meteorologische Extreme gravierend sein. Dies können wir den zukünftigen Generationen nicht antun, das ist verantwortungslos. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Treibhausgase, die wir in unsere dünne Atmosphäre ablassen, keine Wirkung hinterlassen.
Der Antrag der FDP wird schliesslich mit 87:104 Stimmen abgelehnt. Somit liegt der Zustimmung zum Klimaübereinkommen von Paris nichts mehr im Weg, dem Abkommen wird mit 123:62 Stimmen deutlich zugestimmt! Jetzt kann ich zufrieden und erleichtert wieder nach Kloten fahren.
Die erste Woche, dritter Tag (1. 3.)
Das Hauptgeschäft heute ist das Geldspielgesetz. Wie bereits erwähnt, wurden wir ParlamentarierInnen ausgiebig im Vorfeld „bearbeitet“. Dieses Gesetz bezweckt einerseits, die Bevölkerung angemessen von den Gefahren von Geldspielen zu schützen (also Spielsucht, Betrug, Geldwäscherei), andererseits sollen die Erträge aus den Geldspielen zugunsten der AHV/IV und gemeinnützigen Zwecken (auch Sport) verwendet werden. Zudem muss das Gesetz an die neuen Technogien angepasst werden, Online-Spiele werden immer beliebter, obwohl sie eigentlich in der Schweiz verboten sind. SpielerInnen weichen darum auf ausländische Plattformen aus. Dieses Gesetz möchte nun den inländischen Spielbanken ermöglichen, ihre Konzession auf Online-Spiele ausweiten zu können. Nach langen Diskussionen, ob überhaupt auf das Geschäft eingetreten werden soll, wird der Rückweisungsantrag der Grünen abgelehnt.
Der Hauptstreitpunkt dieses Gesetzes ist klar: Es geht um Sinn, Wirkung und Verfassungskonformität sogenannter Netzsperren. Die vorgeschlagene Lösung umfasst keine Zahlungssperre, es ploppt lediglich ein Warnhinweis auf, wenn ausländische Seiten angewählt werden. Man würde dann nämlich den geschützten Raum verlassen. Der Nationalrat spricht sich deutlich für die Netzsperren aus.
Das Gesetz wird heute aber nicht mehr zu Ende beraten, zu lange dauerte die Beratung.
Die erste Woche, zweiter Tag (28. 2.)
Den ganzen Morgen berät der Nationalrat die Altersvorsorge 2020. Bereits vor Beginn der Sitzung treffen sich die SP Frauen, beim sogenannten Café des femmes, um die Situation zu besprechen. In der Romandie gibt es starken Widerstand gegen die Vorlage, weil sie das Rentenalter 65 für Frauen beinhaltet. Eine bittere Pille für die Frauen. Es ist klar, ohne Zugeständnisse bei der AHV (denn es ist immer noch so, dass für viele Frauen vor allem die 1. Säule massgebend ist) hat die Reform beim Volk wohl keine Chance.
Im Laufe der Beratungen verlieren wir mit der CVP zusammen jeden Antrag. Da nützt auch Ruth Humbels Ermahnung nichts, dass aus dem USR III-Debakel die Lehren gezogen werden sollen und nicht eine unausgeglichene Vorlage verabschiedet werden sollte. Die Bürgerlichen im Nationalrat haben offenbar nichts gelernt und setzen sich auf der ganzen Linie durch: Der Automatismus zur Erhöhung des Rentenalters auf 67 bei finanzieller Schieflage des AHV-Fonds soll eingeführt werden, die 70 Fr. mehr in der AHV für Neu-RentnerInnen werden jedoch abgeschmettert. Der Ständerat wird sich hoffentlich mit seiner Version durchsetzen, welche ein gut ausgearbeiteter Kompromiss darstellt.
Über Mittag nehme ich an einer Sitzung der Parlamentarischen Gruppe „Friedensförderung“ teil. Es geht ums Thema, ob Sanktionen gegen Russland überhaupt etwas bringen. Wir werden aus erster Hand von OSZE–Botschafter Günther Bächler informiert. Obwohl (oder vielleicht auch gerade deswegen) wir nur ein kleines Grüppchen sind, findet eine spannende und angeregte Diskussion statt. Das Fazit ist klar: Ja, Sanktionen bringen tatsächlich etwas. Aber nur, wenn sie auch durchgeführt werden, die blosse Androhung derer bewirkt hingegen nichts.
FRÜHJAHRSSESSION, erste Woche, erster Tag (27. 2.)
Eine gefühlte Ewigkeit war ich nun schon nicht mehr im Nationalratssaal. Während den Kommissionssitzungen ist dieser Teil des Bundeshauses nämlich geschlossen. Ich muss sagen, es fühlt sich gut an, wieder hier zu sein!
Diese Session wird entscheidende Weichen stellen, welche für alle spürbar sein werden: Es geht um den Abschluss der Altersreform 2020, wahrscheinlich überhaupt das wichtigste Geschäft dieser Legislatur. Die Haltung der SP ist klar: Bei einer reinen Abbauvorlage machen wir nicht mit. Wir setzen alles daran, dass die Kompromisslösung des Ständerates auch im Nationalrat eine Mehrheit erhält.
Auch für eine andere Vorlage wurde im Vorfeld heftig lobbyiert: für das Geldspielgesetz. Soll man durch Netzsperren die SpielerInnen dazu bringen, nur auf konzessionierten Schweizer-Portalen Online-Spiele zu machen? Nützen solche Netzsperren überhaupt etwas? Die Debatte dazu findet am Mittwoch statt. Ich bekenne mich aber schon jetzt als Befürworterin von Netzsperren, auch wenn sie umgangen werden können.
Heute Nachmittag wird nun aber zuerst ein weiteres Mal das Stabilisierungsprogramm beraten, Differenzen zum Ständerat bleiben jedoch bestehen. Ich hoffe, dass der Ständerat sich durchsetzen wird und nicht alle unnötigen Sparübungen wie zum Beispiel die Reduktion der Krankenkassen-Prämienverbilligungen und Kürzungen bei den Integrationsprogrammen durchgesetzt werden.
Die dritte Woche, letzter Tag (16. 12.)
Der Tag beginnt nicht so angenehm. Der Zug nach Bern fährt in Zürich nicht mehr weiter, technische Störung. Zum Glück habe ich den Zug eine halbe Stunde früher genommen und kann auf den Entlastungszug umsteigen. Dieser fährt zwar pünktlich ab, bleibt dann aber bei Lenzburg stehen. Ausgerechnet heute, wo doch gleich mit den Schlussabtimmungen begonnen wird! Ich schaffe ich es glücklicherweise gerade noch um 8 Uhr im Bundeshaus zu sein.
Erwartungsgemäss gibt es bei der Schlussabstimmung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative noch Fraktionserklärungen. Es werden nochmals die bekannten Positionen dargelegt. Tiana Moser bringt es auf den Punkt: Den Fünfer und das Weggli gibt es nicht. Oder anders ausgedrückt: Die Personenfreizügigkeit ist nicht kompatibel mit einer allzu verfassungstreuen Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Da auch die bilateralen Verträge vom Volk genehmigt wurden, braucht es nun eine Prioritätensetzung durch die Politik. Der Vorlage wird dann mit 98 Stimmen gegen 67 Nein-Stimmen von der SVP zugestimmt, Die CVP enthält sich „mutig“ der Stimme. Nach der Abstimmung „trötzlet“ die SVP-Fraktion und hält Plakate mit „Verfassungsbruch“ in die Höhe. Dabei wurde im Abstimmungskampf immer von ihrer Seite behauptet, dass die Masseneinwanderungsinitiative sich mit den Bilateralen vereinbaren lasse. Da wurde die Bevölkerung ganz klar an der Nase herumgeführt!
Und dann geht es sehr schnell. Die letzte Abstimmung ist gemacht, die Türchen der Abstimmungsanlagen auf den Pulten werden geschlossen und es geht nach Hause. Ich freue mich sehr, wieder mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können, werde das schöne, weihnächtliche Bern aber auch vermissen!
Die dritte Woche, vierter Tag (15. 12.)
Heute werden die Beratungen zur Volksinitiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre“ (Matter-Initiative) fortgesetzt. Diese beanspruchen beinahe den ganzen Morgen, aber die Initiative muss zwingend heute fertig beraten werden. Der Gegenvorschlag zur Volkinitiative wird deutlich angenommen, entgegen den Stimmen der SP; GLP und Grünen. Auch der Volksinitiative selber wird zugestimmt. Das Bankgeheimnis wird nun in die Verfassung geschrieben, obwohl nicht einmal die Bankiervereinigung das will. Das bedeutet, dass der automatische Informationsaustausch in der Schweiz nicht eingeführt werden kann. So wird der Steuerhinterziehung Tür und Tor geöffnet.
Auch das Budget wird fertig beraten. Dem Kompromissvorschlag der Einigungskonferenz wird eine Abfuhr erteilt, der rigorose Sparkurs des Nationalrates wird also gnadenlos durchgesetzt. Die Bundesverwaltung muss jetzt zum Beispiel 128 Mio. sparen! Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat hat auch dieser Session ihren Stempel deutlich aufgedrückt.
Am Nachmittag wird es dann gemütliche und vor allem festlicher: Wir reisen in den Kanton Aargau zur Wahlfeier von Doris Leuthard. Ab nächstem Jahr ist sie ja Bundespräsidentin. Nach den Ansprachen in Aarau verdrücke ich mich aber diskret und fahre nach Hause zu meiner Familie. Schliesslich ist Aarau ja nicht mehr weit von daheim, diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen!
Die dritte Woche, dritter Tag (14. 12.)
Heute ist der einzige Tag in dieser Session, an welchem sowohl am Morgen wie auch am Nachmittag Nationalratssitzung ist. Wegen den diversen Festivitäten fielen einige Nachmittage aus, was anscheinend in der Wintersession immer so üblich ist. Nehmen wir auch ;-)!
Am Morgen werden zwei Parlamentarische Initiativen mit dem Thema Prämienverbilligungen für Kinder und junge Erwachsene gemeinsam beraten. Die ausgearbeitete Vorlage findet erfreulicherweise eine Mehrheit. Die Krankenkassenprämien bei unteren und mittleren Einkommen werden für Kinder nun um mindestens 80% und diejenigen der jungen Erwachsenen in Ausbildung weiterhin um mindestens 50 % reduziert. Das entlastet doch manches Familienbudget erheblich.
Das Luftfahrtgesetz 1+ ist am Nachmittag traktandiert. In der Vernehmlassung sorgte der damalige Gesetzesentwurf für einigen Wirbel. Kritisiert wurden von vielen Seiten die Kategorisierung der Flughäfen und Flugplätze sowie die Kompetenzverschiebungen von den Kantonen zum Bund. Gerade Letzteres kam im Kanton Zürich gar nicht gut an. Sogar der Regierungsrat wehrte sich gegen diese drohende Entmündigung. Die politisch heiklen Punkte wurden aus dem Entwurf entfernt, das Luftfahrtgesetz 1+ ist nun vor allem noch eine technische Vorlage mit den nötigen Anpassungen im Bereich Sicherheit. Betrüblich ist allerdings, dass der Moorschutz bei den Landesflughäfen nun aufgeweicht wird, der Rat folgt der Kommissionsmehrheit. Hier hat man nun eine Lex Flughafen Zürich geschaffen, damit die Sicherheitsstreifen und die Umrollung der Piste 28 gebaut werden können. Dem Gesetz wird trotzdem einstimmig zugestimmt und geht jetzt in den Ständerat.
Die Frauenzentrale Zürich ist heute wieder zu Besuch. Nach Sitzungsschluss stehen drei Nationalratskolleginnen und ich den jungen Frauen Red und Antwort. Das macht mir immer Spass, schliesslich möchte ich möglichst viele Frauen dazu motivieren, in die Politik einzusteigen!
Die dritte Woche, zweiter Tag (13. 12.)
Nach weiteren Differenzbereinigungen beim Voranschlag 2017 wird heute Morgen die Volksinitiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre“ beraten. Die Initiative will das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern. Sogar die Bankiervereinigung ist gegen diese Initiative, sie ist nämlich unnötig. Genau gleich verhält es sich mit dem sauberer formulierten Gegenvorschlag. Die Banken haben endlich erkannt, dass die Hilfe zur Steuerhinterziehung kein Zukunftsmodell mehr ist. Der Schutz der Privatsphäre ist zudem heute schon genügend gesetzlich gewährleistet. Es kann aber nicht sein, dass Steuerhinterziehung wieder gefördert wird und die internationalen Bemühungen gegen Geldwäscherei torpediert werden. Das schadet schlussendlich auch dem Schweizer Finanzplatz und untergräbt die Weissgeld-Strategie der Banken. Diese „Steuerhinterziehungs-Wiederauferstehungs-Initiative“, wie sie Roger Nordmann nennt, wäre also ein Rückschritt. Wir werden nicht fertig mit den Beratungen, kein Wunder, es stehen ja auch 46 RednerInnen auf der Liste...
Der Ständerat berät in der Zwischenzeit wieder die Altersreform 2020. Er hält an seiner Fassung fest. Sowohl das Kompensationsmodell des Nationalrates in der 2. Säule wie auch der Automatismus zur schrittweisen Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre werden abgelehnt. Dafür hält die kleine Kammer weiterhin am Zuschlag von 70 Fr. bei den neuen AHV-Renten fest, sowie an der Erhöhung der Ehepaar-Renten. Die Version Ständerat hat vor dem Volk ganz sicher die besseren Chancen!
Über Mittag nehme ich an einem Anlass der Parlamentarischen Frauengruppe teil. Uns werden Analysen über die Medienberichterstattung der weiblichen Kandidatinnen im Wahlkampf bei den National- und Ständeratswahlen vom letzten Jahr präsentiert. Die Ergebnisse sind besser als erwartet: Äussere Merkmale spielen zum Beispiel fast keine Rolle mehr, weder bei Frauen noch bei Männern. Hingegen ist die Medienpräsenz der männlichen Kandidaten immer noch höher als diejenige der weiblichen, auch bei Parteien, die einen hohen Frauenanteil haben. Das muss sich ändern!
Nach der Fraktionssitzung am Nachmittag findet noch eine Sitzung der parteiinternen Fachkommission „Frieden und Sicherheit“ statt, die ich präsidiere. Die Diskussion ist angenehm konstruktiv und gehaltvoll. Nach diesem langen Tag bin ich dann aber doch sehr müde...
Die dritte Woche, erster Tag (12. 12.)
Die letzte Woche der Wintersession hat begonnen. In der dritten Woche sind jeweils bei allen gewisse Ermüdungserscheinungen festzustellen, auch bei „alt eingesessenen Hasen“. Doch für Müdigkeit ist kein Platz heute, der Nationalrat diskutiert ein letztes Mal vor der Schlussabstimmung am Freitag über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Wir sind in der zweiten Phase der Differenzbereinigungen zum Ständerat. Das Konzept der Mehrheit überzeugt: Es setzt direkt bei den Arbeitslosen an, ohne die Bilateralen zu gefährden. Das inländische Potential wird so besser ausgeschöpft. Der Nationalrat folgt dem Ständerat, alle Minderheitsanträge werden abgelehnt. Die SVP spielt zum dritten Mal ihr sauglattes Spielchen und stellt den diversen Votanten und Bundesrätin Simonetta Sommaruga Frage an Frage. Es nützt aber nichts, der Nationalrat bekennt sich klar zu den bilateralen Verträgen und zur Personenfreizügigkeit. Sie werden höher gewichtet als der unvermeidliche Verfassungsbruch, in welcher Höchstzahlen und Kontingente verlangt werden. Und das ist meiner Meinung nach auch richtig so! In der Politik muss man auch Prioritäten setzen können. Mit dem vom Bundesrat in Ausschau gehaltenen Gegenvorschlag zur RASA-Initiative kann diese Diskrepanz wieder behoben werden. Es schaut nun gut aus für die Schlussabstimmung. So kann dann auch das Kroatien-Protokoll rechtzeitig unterzeichnet werden und somit auch die Teilnahme für die Schweizer Forschung am so wichtigen europäischen Programm Horizon 2020 gesichert werden.
Ganz zum Schluss wird dann endlich das fast einzige SiK-Geschäft dieser Session beraten. Es geht um die Beteiligung am Fonds für innere Sicherheit im Bereich Schengen-Aussengrenze. Die stark belasteten Staaten an den Schengen-Aussengrenzen können durch diesen Solidaritätsfonds finanziell entlastet werden. Eine funktionierende Schengen-Aussengrenze trägt zur Sicherheit in ganz Europa bei und soll vor allem auch dazu beitragen, dass den Flüchtlingen ein faires und menschenwürdiges Asylverfahren ermöglicht wird. Ich darf die SP-Haltung zu diesem Geschäft kundtun. Endlich mal wieder im Rat sprechen ;-)! Der Vorlage wird deutlich zugestimmt, auch trotz der ablehnenden Haltung der SVP und den Enthaltungen der Grünen.
Die zweite Woche, vierter Tag (8. 12.)
Heute sind die GesundheitspolitikerInnen am Zug. Im Zentrum der Beratungen steht das Tabakproduktegesetz. Dieses Gesetz ist nötig, weil Tabakprodukte aus dem Geltungsbereich des neuen Lebensmittelgesetzes ausgenommen wurden, da Tabak nach europäischer Regelung nicht mehr als Lebensmittel gilt. Zudem haben die geltenden Regelungen kaum präventive Wirkung gezeigt, sie sind denn auch im internationalen Vergleich erheblich schwächer. Die Schweiz ist zum Beispiel das einzige Land in Europa, das Tabakwerbung in Zeitungen und Zeitschriften zulässt oder auch Plakatwerbung auf öffentlichem Grund. Im Gesetzesvorschlag finde ich vor allem den Jugendschutz besonders wichtig: Man will ein schweizweites, einheitliches Abgabeverbot für Minderjährige, Automaten sollen für Minderjährige nicht mehr zugänglich sein, es soll eine nationale gesetzliche Grundlage für Testkäufe geschaffen werden und Werbung an Orten, wo sich vorwiegend Jugendliche aufhalten, soll verboten werden.Der Ständerat hat das ganze Gesetz an den Bundesrat zurückgewiesen mit zahlreichen Aufträgen. Der Jugendschutz war unbestritten, die Einschränkungen für die Werbung gingen aber vielen Mitgliedern des Ständerats zu weit. Der Nationalrat folgt dem Ständerat und weist das Gesetz ebenfalls zurück. Schade, die SP hätte sich gerne auf die Diskussion eingelassen.
Ein weiteres wichtiges Geschäft ist die Parlamentarische Initiative Joder, die eine bessere Unterstützung für schwerkranke oder schwer behinderte Kinder, die zu Hause gepflegt werden, verlangt. Dies soll erreicht werden, in dem der Intensivpflegezuschlag erhöht wird. Diese Massnahme wird von allen befürwortet. Differenzen gibt es beim Assistenzbeitrag für Hilfe von aussen. Nun soll der Assistenzbeitrag vom Intensivpflegezuschlag abgezogen werden, damit man nicht „doppelt“ Geld bekommt. Das ist ein absoluter Unsinn, es kann jetzt nämlich sein, dass das Ganze zum Nullsummenspiel für einzelne Familie wird. Dies betrifft dann genau diejenigen Familien, die stark pflegebedürftige Kinder haben. Darum unterstützt die SP die Kommissionsminderheit, welche Ausnahmebestimmungen zum Assistenzbeitrag verlangt. Erfreulicherweise macht das in der Abstimmung dann auch die Mehrheit des Nationalrates! Damit ist ein wichtiger Schritt für die Entlastung der pflegenden Familienmitglieder getan.
Die zweite Sessionswoche endet am Mittag, es geht wieder nach Kloten zurück. Freue mich sehr auf ein Wochenende mit meiner Familie (und ohne Parteitag ;-))!