Bundeshaus-Blog
Die dritte Woche, letzter Tag (17. 6.)
Der letzte Tag der Sommersession (wobei „Sommer“ also sehr euphemistisch ausgedrückt ist...). Es stehen die Schlussabstimmungen auf der Traktandenliste. Wie zu erwarten wird die Unternehmenssteuerreform III angenommen, links-grün stimmt dagegen. Die SP hat ja bereits das Referendum ergriffen, denn bei dieser Vorlage wurde nun das Fuder nun wirklich überladen: Zu viele Steuerausfälle bei viel zu wenig Gegenfinanzierung. Das Volk soll entscheiden!
Dem Kroatien-Protokoll wird in der Schlussabstimmung auch zugestimmt. Darüber bin ich wiederum sehr froh und hoffe, dass wir den Zug für das Forschungsprogramm „Horizon 2020“ noch schaffen!
Die nächste Session ist erst wieder im September, für die Kommissions- und auch andere Sitzungen bin ich bis dahin aber doch noch ab und zu in Bern. Und jetzt freue ich mich ganz extrem fest auf meine Familie!
Die dritte Woche, vierter Tag (16. 6.)
Die Einigungskonferenz hat sich beim Kroatien-Protokoll tatsächlich einigen können. Das Freizügigkeitsabkommen mit Kroatien soll unterzeichnet werden, „wenn eine mit der schweizerischen Rechtordnung vereinbare Regelung zur Steuerung der Zuwanderung besteht.“ Ich hoffe einfach, dass dies auf der Zeitachse für Horizon 2020 noch reicht...
Dann wird über eine Ergänzung im Umweltschutzgesetz diskutiert, mit welcher Ordnungsbussen gegen Littering in Zukunft national festgeschrieben und geregelt werden sollen. Die SP-Fraktion ist gespalten in dieser Frage. Niemand von uns glaubt an die Wirksamkeit reiner Repression, aber ein Teil der Fraktion sieht in Ordnungsbussen eine mögliche Massnahme eines ganzen Pakets zur Bekämpfung des Litterings. Der kleiner Teil der Fraktion glaubt nicht an die Wirkung von Bussen, weil ein solches Bussensystem gar nicht effektiv vollzogen werden könnte. Ich gehöre zu dieser Gruppe. Die Krux ist nämlich, dass man nur Leute gegen Littering büssen kann, wenn die Polizei (und nicht irgendein/e BürgerIn!) sie „in flagranti“ ertappt. Das ist nur sehr selten der Fall, ausser man rüstet den Polizeiapparat massiv auf. Da fehlen in den Gemeinden aber die Ressourcen und die Prioritäten müssen zwangsläufig anders gesetzt werden. Ich habe einfach etwas gegen Gesetze und Vorschriften, von denen man von Anfang an weiss, dass man sie nicht vollziehen kann. Zudem können die Gemeinden heute schon einen Littering-Bussenkatalog in ihre Polizeiverordnung schreiben, das muss nicht vom Bund übersteuert werden. Unbestritten ist für mich aber, dass man weiterhin viel Effort im Bereich Prävention und Aufklärung gegen das Littering betreiben soll! Der Nationalrat tritt schliesslich nicht auf die Vorlage ein, nationale Littering-Bussen sind vorerst vom Tisch.
Am Abend isst die ganze Fraktion zusammen, das ist eine schöne Tradition für den letzten Sessionsabend in Bern. Die Stimmung ist hervorragend, aber müde sind wir langsam alle sehr...
Die dritte Woche, dritter Tag (15. 6.)
Bevor es zum grossen Geschäft des heutigen Tages geht, dem NAF, stimmt der Nationalrat einer Motion aus der Sicherheitspolitischen Kommission zu, welche verlangt, dass bei der Armee 2017 weiterhin gleich viel Geld in das Rüstungsprogramm gesteckt werden soll, obwohl Bodluv sisitiert wurde. Ich muss nicht speziell betonen, dass ich dezidiert gegen diesen Antrag bin. Vor allem auch, weil es gar keine beschaffungsreife Projekte gibt.
Und dann beginnen die Beratungen zum NAF, also zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds. Damit soll die Finanzierung der Bundesbeiträge für Aggloprogramme und Nationalstrassen gesichert und die Engpassbeseitigung etappenweise realisiert werden. Der NAF gilt unbefristet und wird in der Verfassung verankert. Die Beratungen dauern fast den ganzen Tag an, und es ist zuweilen ziemlich schwierig, bei all den Minderheitsanträgen noch den Überblick zu behalten. Der erste Block, in diesem geht es um die Art der Finanzierung, entspricht leider nicht mehr unseren Vorstellungen: Zuviel Geld wird von der Staatskasse abgezweigt (in dem nämlich der Anteil der Mineralölsteuer für den Strassenverkehr erhöht wird), zu wenig nach dem Verursacherprinzip erhoben. Im zweiten Block geht es um die Aggloprogramme, deren Finanzierung nun zum Glück gesichert ist. Gerade für meine Region von enormer Wichtigkeit! Darum können wir der Gesamtvorlage dann am Schluss auch zustimmen.
Die dritte Woche, dritter Tag (14. 6.)
Und schon wieder heisst es auf der Traktandenliste Unternehmenssteuerreform III. Der Nationalrat folgt den Anträgen aus dem Ständerat. Zum Beispiel soll die zinsbereinigte Gewinnsteuer nun eingeführt werden, allerdings nur, wenn diejenigen Kantone gleichzeitig eine Teilbesteuerung der Dividenden von mindestens 60% vorsehen. Abgesehen davon, dass diese Verquickung rechtlich mehr als fraglich ist, reicht diese Gegenfinanzierung beileibe nicht aus, um die zukünftigen grossen Steuerausfälle zu kompensieren. Auch wurde der Kantonsanteil der direkten Bundessteuer von 20,5% auf 21,2% erhöht. Das ist zwar schön für die Kantone, hinterlässt aber ein weiteres Loch in der Bundeskasse. Das werden RentnerInnen, öV-BenützerInnen, Familien etc. zu spüren bekommen, weil das Geld anderswo wieder eingespart werden muss. Das Gesamtpaket ist nicht wie im Vorfeld versprochen austardiert, sondern provoziert Steuerausfälle von weit über 1 Milliarde Franken. Dazu kann die SP nicht Ja sagen und ergreift nun definitiv das Referendum!
Nachher geht es ein weiteres Mal um die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien und die damit verbundene Teilnahme am Forschungsprogramm Horizon 2020. Zur Zeit besteht eine Differenz zum Ständerat, welcher das Abkommen nur unterzeichnet haben möchte, wenn eine Lösung mit der EU gefunden wird, wie die Steuerung der Zuwanderung geregelt werden kann im Einklang mit der schweizerischen Rechtsordnung. Der Nationalrat hält aber an seiner Version ohne Bedingung fest, die SP enthält sich der Stimme. Für uns ist es enorm wichtig, dass auf alle Fälle eine Lösung gefunden wird. Selbstverständlich lieber das Abkommen unterzeichnen ohne Bedingung, falls das aber der einzig mehrheitsfähige Weg ist, werden wir im Sinne eines Kompromisses halt auch diesen einschlagen.
Die Fraktionssitzung am Nachmittag verlasse ich etwas früher, damit ich rechtzeitig am Elternabend für alle Erstklässler-Eltern teilnehmen kann. Das ist mir sehr wichtig. Spät am Abend kehre ich wieder nach Bern zurück, am nächsten Morgen werde ich froh darüber sein ;-)!
Die dritte Woche, erster Tag (13. 6.)
Die letzte Sessionswoche hat begonnen. Ich merke, dass ich doch langsam müde bin. Aber in dieser Woche wird noch viel Wichtiges beraten, wie der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) oder die Differenzbereinigung zur Unternehmenssteuerreform III!
Der Nationalrat beschliesst, das Moratorium für die Ausfuhr abgebrannter Brennelemente zur Wiederaufarbeitung zu verlängern. Ein Nicht-Eintretens-Antrag der SVP hat keine Chance. Leider können sich die Verfechter der Kernenergie dann doch noch durchsetzen: Das Moratorium wird nur für vier statt für zehn Jahre erteilt. Kernenergie ist und bleibt aber eine Technologie der Vergangenheit, das Transportieren und Aufbereiten der radioaktiven Brennelemente bleibt weiterhin sehr gefährlich. Das wird sich weder in vier noch in zehn Jahren ändern... Zudem gibt es kaum noch Aufbereitungsanlagen. Und man kann es schon ahnen: Wieder einmal hoffen wir auf die Vernunft der StänderätInnen, welche die Vorlage morgen beraten.
Die zweite Woche, vierter Tag (9. 6.)
Heute habe ich ausnahmsweise zu Hause übernachtet, schliesslich waren wir mit unserem Fraktionsausflug nach Zürich ja ganz in der Nähe. Heute Morgen habe ich es aber fast etwas bereut: Es heisst für aufstehen, wenn man um 8 Uhr im Bundeshaus sein will...
Die Beratungen zur Botschaft zur „Bildung, Forschung und Innovation“ dauern den ganzen Morgen an. Es handelt sich hier um einen Rahmenkredit für die Jahre 2017 – 2020. Bildung ist unser wichtigstes Gut, sozusagen unser einziger Rohstoff. Das hat auch die Bildungskommission des Nationalrats so eingeschätzt und den Vorschlag des Bundesrates von 2 % jährlichen Wachstums des BFI-Kredits auf 3,2% erhöht. Damit würden für Bildung und Forschung 27 Mio. statt 26 Mio. zu Verfügung stehen, für die ETH von immenser Wichtigkeit. Leider sah das die Mehrheit des Nationalrates nicht so und entschied sich für die Spar-Version des Bundesrates. Und wieder einmal heisst es nun, auf den Ständerat hoffen...
Auch die zweite Sessionswoche ist schon wieder ruck-zuck vorbei. Ich habe das Gefühl, ich habe kaum einmal ein- und ausgeatmet!
Die zweite Woche, dritter Tag (8. 6.)
Heute ärgere ich mich über einen Tagi-Artikel zur Unternehmenssteuerreform III. Der SP wird vorgeworfen, dass sie die Vorlage gezielt verschlechtere, weil sie sich beim „Placebo-Gemeindeartikel“ der Stimme enthalten hat. Besonders die Exekutiv-VertreterInnen in der Fraktion werden an den Pranger gestellt, also auch ich. Es betrübt mich etwas, dass ausgerechnet der Tagi die Realitäten so verzerrt darstellt: Verschlechtert haben die Vorlage die Bürgerlichen, die hemmungslos noch weitere Steuererleichterungen in die Vorlage hineingepackt haben ohne jegliche Gegenfinanzierung. Das wird den Gemeinden und Kantonen dramatisch Steuersubstrat entziehen und das ist der eigentliche Skandal! Der wirkungslose Gemeindeartikel dient hingegen nur der Besänftigung.
Der Hauptpunkt in den Beratungen des Nationalrats heute ist die Revision des Mietrechts. Es geht in erster Linie um die Einführung der Formularpflicht und die Erhöhung der Transparenz. Einige Kantone kennen diese Formularpflicht schon (so auch Zürich), der Gebrauch ist überall unproblematisch. Die MieterInnen werden so vor missbräulichen Mietzinsaufschlägen geschützt. Der Nationalrat tritt aber gar nicht erst auf die Vorlage ein, der Hauseigentümerverband hat sich leider durchgesetzt. Die Vorlage geht jetzt in den Ständerat.
Am Nachmittag sind die Fraktionsausflüge angesetzt. Es giesst aus Kübeln, kann aber unsere Laune nicht trüben. Wir besuchen das Asyl-Testzentrum in Zürich. Der Besuch hinterlässt einen starken Eindruck bei mir, und es wurde sehr deutlich, dass die beschleunigten Verfahren ohne Rechtsberatung nicht zu verantworten wären.
Die zweite Woche, zweiter Tag (7. 6.)
Der Morgen steht heute ganz unter dem Zeichen der Gesundheitsberufe. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll die Qualität in den Gesundheitsberufen, die mehrheitlich an Fachhochschulen vermittelt werden, gefördert werden. Dazu werden gesamtschweizerisch einheitliche Anforderungen an die Ausbildung und Berufsausübung festgelegt. Ein längst fälliger Schritt!
Heute habe ich meine Premiere als Präsident der parteiinternen „Fachkommission für Frieden und Sicherheit“. Bin schon etwas nervös, schliesslich wissen die TeilnehmerInnen einiges mehr als ich, bin als Neuling in der Sicherheitspolitischen Kommission noch nicht allzu bewandert in diesen Themen auf nationaler Ebene. Wir besprechen die unserer Meinung nach gefährliche Aufweichung der Kriegsmaterialverordnung, welche der Bundesrat mit seiner skandalösen Bewilligung zur Kriegsmaterialausfuhr auf die Arabische Halbinsel im April dieses Jahres weiter vorangetrieben hat. Das Kriegsmaterialgesetz mit entsprechender Verordnung ist grundsätzlich gut und streng. Das nützt aber wenig, wenn der Bundesrat anfängt, es „kreativ“ zu interpretieren und eigene wirtschaftliche Interessen vor die Einhaltung der Menschenrechte stellt.
Die zweite Woche, erster Tag (6. 6.)
Nach einem Abstimmungswochenende, das durchaus nach meinem Geschmack verlief (könnte mich also daran gewöhnen ;-)), ist heute die zweite Sessionswoche gestartet.
Die Sensation liefert gleich am Anfang der Ständerat: Er spricht sich gegen längere Ladenöffnungszeiten ab, damit ist das entsprechende Gesetz vom Tisch, weil keine Einigung zwischen National- und Ständerat zustande kam. In Zukunft können also weiterhin die Kantone entscheiden, wie sie ihre Ladenöffnungszeiten regeln, was meiner Meinung nach auch richtig ist.
Der Nationalrat beschäftigt sich wieder einmal mit der Unternehmenssteuerreform III, es geht um Differenzbereinigungen gegenüber des Ständerates. Leider bleibt der Nationalrat bei den meisten seiner unverschämten Steuergeschenken: Es soll keine Dividendenbesteuerung geben, dafür aber die zinsbereinigte Gewinnsteuer. Das Fuder wird so total überladen, die Gegenfinanzierung dazu aber fehlt völlig. Die Steuerausfälle wären enorm und auch nicht wirklich berechenbar, so wird die USR III wohl an die Wand gefahren. Dazu kann man nicht mit gutem Gewissen „Ja“ sagen... Die Vorlage geht nun wieder in den Ständerat
Die erste Woche, vierter Tag (2. 6.)
Lange hat die Euphorie von gestern nicht angehalten. Der heutige Morgen bringt mich definitiv wieder auf den Boden der politischen Realitäten in diesem Land: Es geht heute um die Internationale Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe. Die SVP verstrickt sich vollends in Widersprüche: Dauernd propagiert sie, dass mehr Hilfe vor Ort geleistet werden müsse und nicht mehr Geld fürs Asylwesen ausgegeben werden solle. Mit der durch die SVP beantragten Kürzung bei der Entwicklungshilfe passiert aber genau das Gegenteil davon. Aber diesen Widerspruch hat man sich ja schon gewohnt. Viel mehr beelend mich da die CVP, die bei diesem falschen Spiel nun munter mitspielt. So macht sie mit bei einem nebulös begründeten Rückweisungsantrag. Ich frage mich, wo denn das C im Parteinamen geblieben ist... Zum Glück haben keinerlei Rückweisungsanträge Erfolg. Zum Schluss folgt der Rat dem Antrag des Bundesrats, die Entwicklungshilfe wird auf 0,48% des BIPs angesetzt. Das ist in unsere Augen zwar zu wenig (0,7% wäre das UNO-Milleniumsziel), unter dem Strich sind wir aber froh, dass die diversen Kürzungsanträge von rechts keine Chancen hatten.
Damit endet die erste Sessionswoche bereits wieder, sie war sehr abwechslungsreich. Ich freue mich nun sehr, meine Familie wieder zu sehen!
Die erste Woche, dritter Tag (1. 6.)
Schon früh am Morgen geht’s los mit dem Extrazug aus Bern nach Polleggio. Die Stimmung ist aufgeräumt, es hat beinahe den Charakter einer Schulreise. In unserem Wagon ist es auf alle Fälle etwa gleich laut. Kurz vor Mittag kommen wir auf dem Festgelände vor dem Südportal an. Nach einem Apéro geht dann der offizielle Akt endlich los mit der Eröffnungsaufführung. Es ist eine kraftvolle, archaische und urchige Show, die uns präsentiert wird. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Auch ich fand einige Szenen – nun sagen wir einmal – gewagt. Aber insgesamt hat es mir sehr gut gefallen. Und ja, das Kleid von Doris Leuthard ist speziell, es hat Löcher. Passt doch bestens zum Thema Tunnel ;-). Am Bewegendsten finde ich aber den Moment, als die beiden ersten Züge gemeinsam beim Nord- und Südportal aus dem neuen Tunnel kommen, gleichzeitig mit dem Höhepunkt der Vorführung. Das ist echt ein Hühnerhaut-Moment. Ich bin mir der historischen Dimension dieses Tages wieder sehr bewusst und auch dankbar darüber, dass ich dabei sein darf.
„Ist die Merkel jetzt wirklich da?“ fragen sich alle zu Beginn der Festreden. Und sie ist es tatsächlich! Aber auch François Hollande, Christian Kern (hält eine gute Rede!) und Matteo Renzi. Überrascht bin ich ab der Rede von Hollande: sehr witzig und überhaupt nicht steif. So habe ich ihn mir nicht vorgestellt. Angela Merkel bekommt berechtigt viel Applaus. Ich habe eh das Gefühl, dass im Saal die Stimmen für eine Schweiz der Öffnung, gegen eine Abschottung zu Europa, überwiegen. Das gibt mir ein gutes Gefühl und auch wieder Zuversicht! In Zeiten, in denen in Europa wieder mehr Grenzkontrollen eingeführt werden, eröffnet die Schweiz ein Jahrhundert-Bauwerk, dass dem Zusammenschluss in Europa dient. Ein starkes Zeichen!
Und dann fahren wir am Nachmittag endlich durch den Tunnel. Es geht sehr lange und es ist recht dunkel. Ein Tunnel halt. Schade ist, dass wir nicht kurz aussteigen können, zum Beispiel an der Multifunktionsstelle. So ist nach 20 Minuten die historische Fahrt auch schon vorbei. Der neue Gotthard-Basistunnel vereinigt also zwei typisch schweizerische Tugenden: Bescheiden in seinem Auftritt, aber gross in der Wirkung ;-)!
Die erste Woche, zweiter Tag (31. 5.)
Gerade zwei Stunden dauern die Beratungen zur Staatsrechnung 2015, erfrischend kurz. Die Interpretationen, wie man mit dem guten Rechnungsabschluss (2,3 Mrd. Überschuss) umzugehen hat, divergieren dann aber doch ziemlich. Die rechte Ratsseite findet, dass man keinesfalls übermütig werden sollte und es darum weiterhin eisernen Sparwillen brauche, die linke Ratsseite möchte wegen des guten Abschlusses Anpassungen im Stabilisierungsprogramm, das in allen Bereichen harte Sparvorgaben vorsieht (ausser bei der Armee, aber das ist ein anderes Thema...). Zudem hat Bundesrat Maurer ja bereits das nächste Sparprogramm angekündigt, irgendwie müssen ja die zukünftigen Steuerausfälle, bedingt zB. durch die Unternehmenssteuerreform III und die Abschaffung der Stempelsteuer, finanziert werden. Eine Politik, die ich weder nachvollziehen noch gutheissen kann.
Jetzt aber freue mich aber erst mal auf morgen: Das Parlament nimmt an den Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthard-Basistunnels teil, juhui!
Sommersession - Die erste Woche, erster Tag (30. 5.)
Und bereits beginnt die meine dritte Voll-Session. Wenn ich nicht wüsste, dass sie „Sommersession“ heisst, käme ich nie darauf, dass der Sommer naht. Es ist für die Jahreszeit immer noch ziemlich kühl und regnerisch. In Bern haben aber alle Cafés herausgestuhlt, das lässt doch auf den Sommer hoffen!
Drinnen im Bundeshaus wird heute ein wichtiges Gesetz beraten, es geht um Anpassungen im Adoptionsrecht: In Zukunft sollen auch homosexuelle Personen in eingetragener Partnerschaft Stiefkinder adoptieren können. Dieser längst nötigen Anpassung können leider nicht alle Ratsmitglieder zustimmen, dies sind grosse Teile der SVP und wenige der CVP. Sie werfen dem Bundesrat Salamitaktik vor, dies sei nur der erste Schritt zur Einführung der Adoption für gleichgeschlechtliche Paare. Dazu kann ich nur sagen: Hoffentlich ist dem so!
Sondersession, dritter Tag (27. 4.)
Heue ist bereits schon der letzte Tag der Sondersession. Irgendwie seltsam, nur so ein „Müsterchen“, man kommt gar nicht richtig in den Sessions-Rhythmus. Der Morgen beginnt mit der Abstimmung zur gestern besprochenen Wiedergutmachungs-Initiative. Das Abstimmungsresultat lässt zum Glück nichts an Deutlichkeit offen: Nur ein paar eiskalte Exponenten der SVP und auch ein paar wenige der FDP, wird dem Gegenvorschlag zugestimmt. Jetzt geht die Vorlage in den Ständerat, das sollte aber keine Hürde mehr darstellen.
Doch der nächste Woche folge leider sofort: Der Nationalrat hat mit 97:90 Stimmen die Parlamentarische Initiative Candinas, welche zwei Wochen Vaterschaftsurlaub verlangt, knapp abgelehnt. Einmal mehr ist auf die FDP leider kein Verlass mehr.
Zum Abschluss der Sondersession zeigt sich wieder einmal mehr, wie stark die Bauern-Lobby in Bern: Es wird einem Gesetz zugestimmt, das steuerliche Privilegien für Bauern beim Verkauf von Baulandreserven einführt.
Und dann geht’s schon wieder nach Hause, das war wirklich eine kurze Sache. Aber ich freue mich schon auf die Sommersession!
Sondersession, zweiter Tag (26. 4.)
Ein Eklat steht heute im Zentrum des Geschehens: Bei den Beratungen zur Ausweitung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien äussert sich Roger Köppel dermassen unflätig und respektlos, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga den Ratssaal verlässt, gefolgt von der ganzen SP-Faktion. Auch wenn das nun zum Teil als „Schwäche“ oder Überempfindlichkeit ausgelegt wird, kann ich Simonettas Rückzug in eigener Sache sehr gut nachvollziehen. Auch eine Bundesrätin muss sich nicht alles gefallen lassen, vor allem nicht von Leuten, die nicht über den kleinsten Funken von Anstand verfügen. Mann muss nicht gleicher Meinung sein und darf auch hart in der Sache diskutieren, aber bitte mit dem nötigen Respekt! Dem Abkommen wird schliesslich trotzdem deutlich zugestimmt, die SVP ist mit ihrer Opposition alleine.
Am Nachmittag beginnen die Beratungen zur Wiedergutmachungs-Initiative. Es ist unerträglich, wie viel Leid und Gewalt einem grossen Teil der ehemaligen Verding- und Heimkindern und den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen zugefügt wurde, geduldet von der ganzen Gesellschaft. Man kann dieses grosse Leid nicht mit Geld aufwiegen, das steht ausser Frage. Aber die Entrichtung eines Solidaritätsbeitrags, eine offizielle Anerkennung und die historische Aufarbeitung sind das Minimum, was wir jetzt machen können – ja - machen müssen. Das ist ein reiner Akt von Menschlichkeit und Solidarität.